Antisemitismus früher, gestern und heute

Antisemitismus früher, gestern und heute

Auftaktveranstaltung zur Vereinsgründung des Bündnisses Brachttal für Demokratie, Vielfalt und gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Brachttal (ck). Die Auftaktveranstaltung zur Vereinsgründung des Bündnisses Brachttal für Demokratie, Vielfalt und gesellschaftlichen Zusammenhalt mit Bijan Razavi von der Bildungsstätte Anne Frank war ein voller Erfolg. Etwa 50 Interessierte nahmen an dem Vortragsabend in der Mehrzweckhalle in Neuenschmidten teil, bei dem Razavi über Antisemitismus aufklärte. Die Gründungsversammlung ist vorgesehen für Donnerstag, 18. April, ebenfalls im Thekenraum der Alten Schule Hellstein. Alle Interessierten sind zu diesem Termin herzlich eingeladen.

Aufklärung durch Dialog – mit Bijan Razavi von der Bildungsstätte Anne Frank.

Matthias Müller-Stehlik, Mitarbeiter im Projekt Demokratiewerkstätten an der Volkshochschule des Main-Kinzig-Kreises, moderierte die Veranstaltung und erläuterte zu Beginn die Hintergründe zur Vereinsgründung. Aus Brachttal hat es zahlreiche Interessenbekundungen zur Gründung einer Demokratiewerkstatt gegeben. Aufgrund des Projektzusammenhangs und der damit einhergehenden Limitierung von Demokratiewerkstätten sei eine Gründung in Brachttal nicht möglich gewesen, erklärte Müller-Stehlik. Daher habe man sich für den Weg der Vereinsgründung entschieden, um zukünftige Veranstaltungen, wie diese über Fördermittel der Partnerschaft für Demokratie finanzieren zu können.

Bijan Razavi führte die Zuhörer durch die Geschichte des Antisemitismus von der Abspaltung des Christentums vom Judentum bis zur Gegenwart. Auch persönliche Erinnerungen von Erich Grünebaum, der als Kind die Machtübernahme der Nationalsozialisten in Hellstein miterlebte, wurden durch Katrin Klas-Frenzel präsentiert.

Razavi erläuterte die Entwicklung des Antisemitismus von den Anfängen bis in die Gegenwart anhand vieler Beispiele. Bereits im 13. Jahrhundert waren Vorurteile gegenüber Juden verbreitet, die noch immer fortbestehen. Der Referent zeigte auf, wie diese Vorurteile historisch entstanden sind, wie zum Beispiel die Einschränkungen im Berufsleben für Juden und die Verbreitung des Mythos einer jüdischen Weltverschwörung.

Die Nationalsozialisten griffen diese antisemitischen Ideen auf und führten sie in Form des Holocausts zu einer Katastrophe. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg war Antisemitismus weiterhin präsent, wenn auch gesellschaftlich verpönt. Razavi präsentierte Beispiele für die Relativierung des Holocausts und die Projektion antisemitischer Gedanken auf verschiedene Gruppen, einschließlich der Elite von Verschwörungstheoretikern, wie sie auch in der Corona-Pandemie erlebt wurde.

Katrin Klas-Frenzel stellte den regionalen Bezug her. Sie berichtete von den Deutschen mit jüdischem Glauben, die seit Jahrhunderten in Hellstein gelebt hatten. Diese Menschen passten nicht in verbreitete Darstellung des Juden. Jonas Grünebaum hatte sieben Söhne, von denen sechs im ersten Weltkrieg für die deutsche Armee kämpften. Einer wurde getötet, vier verwundet. Obwohl sie einfache Menschen waren, obwohl sie deutsche Patrioten waren, schützte sie das alles nicht vor dem gemeinsamen Schicksal mit Millionen anderen Juden. Sie wurden entwurzelt, verfolgt und getötet. Erich Grünebaum musste als Elfjähriger alleine eine dreijährige Flucht über Frankreich, Spanien und Portugal nach Amerika hinter sich bringen, um dort als Eric Greene als einziger seiner Familie zu überleben.

Dass in der heutigen Zeit (fast) niemand mehr diese offene Verfolgung von Menschen gut heißt, ist das Eine. Aber Klas-Frenzel konnte auch mit aktuellen Beispielen darlegen, dass sich das Gedankengut über die vielen Jahre eingeprägt hat und manches antisemitische Weltbild teilweise unbewusst vorhanden ist. Sie führte ein Beispiel an, bei der 2013 und eine Runde Getränke anzuschieben auf einer Versammlung gesagt wurde: „Stell Dich net an wie en Jud!“. „Der Mann, der das sagte, ist wahrscheinlich kein wirklicher Antisemit, aber die Aussage ist durch und durch antisemitisch.“

Die Veranstaltung endete in einer lebendigen Diskussion, bei der das Publikum interessante Fakten und Fragen zum Thema beitrug. Das Ziel, einen respektvollen Dialog zu fördern, wurde erreicht, und die Auftaktveranstaltung des Bündnisses Brachttal für Demokratie, Vielfalt und gesellschaftlichen Zusammenhalt war somit ein Erfolg.

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