Feierlich und schelmisch – Grimmelshausen-Preis verliehen

Feierlich und schelmisch – Grimmelshausen-Preis verliehen

Grimmelshausen-Preis 2023 geht an Frank P. Meyer, Caroline Wahl, Simone Grünewald und Klaus Puth.

Gelnhausen (GN/ek). „Also eins muss ich sagen. Gelnhausen braucht man sich nicht schön trinken“, schaffte es Autor Frank P. Meyer mit seinem herrlichen Saarländer Humor, das Publikum schon mit den ersten Sätzen zu bezaubern. Kerstin Bachtler (SWR) hatte in ihrer kurzweiligen Laudatio auf Meyers „Bundeskegelbahn“ einen Schelmen angekündigt und Meyers Dankesrede bestätigte, dass der Autor wie seine Werk im besten Sinne Grimmelshausenscher Schelmentradition folgen.

Wenn ich mir einen Preis hätte wünschen können, es wäre dieser gewesen“, bedankte er sich strahlend für den Hauptpreis, der ihm verdienstermaßen zuerkannt wurde. Das ausgezeichnete Werk „Vom Ende der Bundeskegelbahn“ ist ein Globalisierungs- und Schelmenroman zugleich: Der Chinese Wang Fei bringt im verschlafenen Hunsrück eine kleine, verschworene Dorfgemeinschaft voller liebenswerter „Typen“ in Konfrontation mit dem Fremden gehörig durcheinander. Fast meint der Leser, mindestens einen der Protagnisten so oder ähnlich aus seinem eigenen Bekanntenkreis wiederzuerkennen. Und die Klischees über den „Chinesen an sich“ hat auch jeder Leser schon zumindest gehört – wenn nicht gar heimlich gedacht.

Die Jury lobt zum zweiten Mal in 30 Jahren einen Sonderpreis aus

Auch der absurd-genialen Idee des BuKeGe, des Bundeskegelbahngesetztes zur Normierung der Dorfkegelbahnen, könnte so mancher Leser auf den Leim gehen – denn sind wir mal ehrlich: Niemand wäre ernsthaft verwundert, wenn es dieses Gesetzt tatsächlich gäbe. Auf seine unnachahmliche Art hält Meyer in der Tradition Grimmelshausens der Welt den Spiegel vor, ohne dabei seine Charaktere oder das Dorfleben ins lächerliche zu ziehen. „Ich habe den Simplicissiums nur einmal gelesen. Aber wenn ich das Buch von Simone und Klaus mit in dem Urlaub mitnehme, kann ich sicher zu den 30 Mal von Herrn Dr. Weimer aufschließen“, führte Frank P. Meyer den stetigen Bezug auf das Werk Grimmelshausens mit einem Verweis auf die Träger des Sonderpreises weiter, der sich am Abend der Verleihung zu einem nicht ganz ernst gemeinten Wettbewerb verselbstständigte, wer Grimmelshausens Original wohl am häufigsten gelesen hatte.

Vor 200 geladenen Gästen wurde der Grimmelshausen-Preis 2023 in Gelnhausen verliehen

Entwaffnend und bezaubernd selbstbewusst hatte Caroline Wahl zuvor gestanden: „Ich hab den Simplicissimus nie ganz gelesen. Aber bis ich den Hauptpreis gewinne, werde ich das nachholen.“ Auch die Nachwuchsautorin beherrscht das schelmische Augenzwinkern in der Sprache: „Krass. Ich dachte: Diese Menschen sind so lange tot. Ich dachte immer, weil die so alt sind, haben die bestimmt keinen Spaß gehabt. Das stimmt gar nicht“. Kurze Pause. „Es ist erst mein zweiter Preis. Beim ersten Preis musste ich nichts sagen. Ich dachte, das sei jetzt immer so. Deshalb les ich lieber was aus meinem Buch. Das kann ich jetzt“. eröffnete sie ihre Kurzlesung aus „22 Bahnen“ in dem ihr eigenen kurz-prägnanten Sprachstil. Mit ihrem Debütroman feiert die 1995 geborene Autorin außergewöhnliche Erfolge und hat auf ihrer Lesereise durch Deutschland schon an die 60 Lesungen absolviert

In der Laudatio hatte Dr. Wolfram Weimer bereits auf die leicht lakonische Sprache in kurzen Sätzen verwiesen, die Wahl bei der Dankesrede durchblitzen ließ. „Aus einem Thomas-Mann-Satz könnte man 20 von Caroline Wahl machen – aber die Lakonie wird nie anstrengend.“ Der bekannte Publizist gestand seine anfängliche Skepsis, als ihm ein Kollege das Buch vorschlug: Coming of Age, Gewalt, Alkoholismus und vieles mehr – alles andere als eine passende Urlaubslektüre. „Wegen des schönen Covers gab ich ihm doch eine Chance“, grinst Weimer schelmisch und wurde überzeugt: „Es freut mich sehr, dass der Roman so durch die Decke geht“. Für einen Debütroman sei das Werk unglaublich reif. Es lohne sich, zu „22 Bahnen“ zu greifen und sich begeistern zu lassen so wie es die Jury war. Bürgermeister Daniel Glöckner dankte Bernd Jacobs von der Kreissparkasse Gelnhausen, dass mittels des Förderpreises dank der Stiftung der Kreissparkasse Gelnhausen junge Autoren auf ihrem Weg unterstützt und motiviert werden können.

Zum zweiten mal in 30 Jahren Grimmelshausenpreisverleihung wurde ein Sonderpreis ausgelobt und damit die Neuübersetzung des Simplicissimus in eine moderne Umgangssprache ausgezeichnet.

„Eigentlich wissen wir es alle: Sie ist die Courage der Stadt“, beschrieb Dr. Wolfram in seiner zweiten Laudatio des Abends die Autorin des Sonderpreises. Wie wichtig ein umgangssprachlicher „Simplicissimus“ aktuell sei, hatte Weimer allein damit deutlich gemacht, indem er den ersten Satz des Originals vorlas. „Hat das einer verstanden? Nein“, fiel die Bilanz kurz und knapp aus. „Es ehrt Renchen und Gelnhausen, dass sie diesen Dichter hochhalten. Denn in Deutschland wissen etwa 24.000 Gelnhäuser, 50.000 Germanisten, etwa 100.000 literarische Freaks und vielleicht noch 1 Million Bildungsbürger wie wichtig Grimmelshausen ist. Aber was ist mit den anderen 80 Millionen? Dank Simone Grünewald ist er in unserer Sprache angekommen und dank Klaus Puth haben seine Figuren Gestalt angenommen.“ In aktueller Umgangssprache mit viel Sachverstand und Sprachgefühl dem Leser den Zugang zu diesem Meisterwerk zu ebenen, sei der beste Grund für einen Sonderpreis.

Auch der Renchener Bürgermeister Bernd Siefermann, stimmt begeistert ein. „Corona hat auch etwas Gutes mit sich gebracht“, so vermied Grünewald bewußt das Wort „positiv“. Aus dem hessischen „Mer müsste mal“ sei durch die in Corona entstandene Freizeit das Projekt entstanden, das der Germanistin schon lange am Herzen lag. Auch sie musste den Simplicissimus schon in der Schule lesen, allerdings nicht wie fast alle Festredner am Gelnhäuser Grimmelshausengymnasium, sondern am Dalberg in Aschaffenburg. Die Liebe zu Grimmelshausen entwickelte sich aber erst während des Germanistik-Studiums.

Wenn Simone anruft, dann weiß ich immer, es wird jede Menge Arbeit. Aber macht auch sehr viel Spaß und Vergnügen“, gab Klaus Puth seinen Blickwinkel als Illustrator wieder. Wie Wolfram Weimer machte auch Klaus Puth das Abitur am Grimmelshausen Gymnasium. „Ich war nur drei Jahre hier und kannte Grimmelshausen zunächst nicht.“ Das stieß bei den Mitschülern auf höchstes Unverständnis. Sich nach 30 Jahren Pause nach der Schule wieder mit den Werken zu beschäftige, sei ein Genuss gewesen.

Zuvor hatte Bürgermeister Daniel Glöckner die vielen Ehrengäste, darunter auch eine Delegation aus Renchen, begrüßt. Es sei unglaublich gut, dass es die beiden Grimmelshausen Städte mit ihren Förderern schaffen, das Erbe des wohl ersten Bestseller-Autors der deutschen Geschichte auch 400 Jahre nach seinem Tod zu erhalten und zu würdigen. Bis heute sei der „Simpel“ aktuell und könne in vielen Belangen in die heutige Gesellschaft übertragen werden. „Es hat mir zu wollen behagen, mit Lachen die Wahrheit zu sagen“, hatte Schulleiterin Tina Ruf das wichtigste Zitat des Schriftstellers parat. Nicht nur im 30-järhigen Krieg, sondern auch in der heutigen Zeit falle es schwer, bei all dem Schrecken und Kriegen den Humor nicht zu verlieren. Doch schon Grimmelshausen habe gezeigt, wie wichtig das sei, um genau mit diesen Schrecken fertig zu werden. Dass Schule durch eine enge Zusammenarbeit mit der Stadt den Schülern ermöglichen kann, die eigenen Spuren zu hinterlassen.

Kunstwerke wie der „Simplicissimus“ sei eine solche Spur, die erkundet und in den eigenen Blickwinkel aufgenommen werden könnte. Eine solche Spur schuf an diesem Abend auch Schülerin Olivia Mingebach, die gemeinsam mit Lehrer Sebastian Eichenauer einen wundervollen Abend mit herausragendem Gesang bereicherte. Ins rechte Licht und guten Ton rückte die Technik-AG die Veranstaltung in der Aula des Grimmelshausen Gymnasiums.

Über den Grimmelshausen-Preis:

Gestiftet wird der Grimmelshausen-Preis gemeinsam von den Ländern Hessen und Baden-Württemberg, sowie der Stadt Gelnhausen und der Stadt Renchen, in der der berühmte deutsche Schriftsteller 1676 verstarb. Der Grimmelshausen-Preis wird alle zwei Jahre vergeben und zwar im Wechsel in Grimmelshausens Geburtsstadt Gelnhausen und in Renchen, wo der größte deutsche Barockdichter als Schultheiß tätig war und verstorben ist. Mit dem Preis werden Autoren ausgezeichnet, die einen bemerkenswerten Beitrag zur künstlerischen Auseinandersetzung mit der Zeitgeschichte geleistet haben und damit in der literarischen Tradition des berühmten Namensgebers stehen. Die Jury ist stets hochkarätig besetzt. Als stimmberechtigte Mitglieder gehören ihr derzeit Dr. Beate Laudenberg von der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe, der Literaturwissenschaftler Dr. Jürgen Glocker und der aus Gelnhausen stammende Verleger und Publizist Dr. Wolfram Weimer an. Beratende Mitglieder sind Ariane Limberg vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg, Alice Hartmann vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, und die Bürgermeister Daniel Chr. Glöckner (Gelnhausen) und Bernd Siefermann (Renchen).

Zum Bild: Die Preisträger, von links: Puth_Wahl_Meyer_Grünewald, Foto_Joachim_Ludwig.

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