Training für Lebensretter: Angehende Notfallsanitäter üben mit SIM-Station

Training für Lebensretter: Angehende Notfallsanitäter üben mit SIM-Station

Main-Kinzig (DRK/rw). Eine Frau liegt leblos am Boden. Ein Angehöriger hat den Notruf 112 gewählt. Nach wenigen Minuten ist der Rettungsdienst da und beginnt sofort damit, die Patientin zu versorgen. Dieses Szenario finden zwei Notfallsanitäter-Auszubildende der Rettungsdienstschule Gelnhausen (RDSG) vor. Bei der leblosen Frau handelt es sich um die Übungspuppe „Rescue-Anne“. Mit Hilfe der vor wenigen Wochen angeschafften Sim-Station, einer modernen Audio-Video-Anlage, üben die künftigen Notfallsanitäter Einsatzsituationen so realitätsnah wie möglich. Mehrere Kameras nehmen alles, was geschieht, aus unterschiedlichen Perspektiven auf. Michael Schüßler, Lehrkraft an der Schule für den Rettungsdienst, bedient die Anlage, die in einem kleinen Regie-Raum steht. Von dort kann er gleichzeitig die Übungssituation durch eine große Glasscheibe sehen. Simultan werden die Aktionen der angehenden Rettungskräfte in den Klassenraum nebenan übertragen. Dort können die Schüler der Klasse die Situation als Zuschauer miterleben und beobachten, ohne ihre übenden Kollegen zu stören.

Nils und Leon finden „Anne“ leblos vor, der Angehörige (gemimt von Michael Dittmar von der Schulleitung) wirkt rat- und hilflos. Die beiden Auszubildenden verschaffen sich einen Überblick und beginnen sofort mit der Herzdruckmassage. Sehr schnell alarmieren sie den Notarzt dazu. „Laufende Reanimation“ geben sie der Leitstelle als Stichwort mit. Es dauert nicht lange, bis das Notarzt-Team eintrifft. Azubi Luis schlüpft in die Rolle des Notarztes. Er gibt kurze Anweisungen, ein venöser Zugang wird gelegt, Vitalparameter überprüft, die Beatmung eingeleitet, der Defibrillator eingesetzt. Rasch und gezielt wird alles dafür getan, das Leben von „Anne“ zu retten. Jeder übernimmt bestimmte Aufgaben, alles passiert gezielt und koordiniert. In der Übungssituation wird deutlich, welche Dimension die Verantwortung hat, die die Rettungsdienstkräfte in ihrem Berufsalltag übernehmen. Unmittelbare Verantwortung für Menschenleben. Die Auszubildenden wechseln sich regelmäßig bei der Herzdruckmassage ab. „Anne“ wird beatmet, irgendwann ist wieder ein Puls feststellbar. Die vier Azubis bereiten den Transport der Patientin ins Krankenhaus vor. Michael Schüßler beendet an dieser Stelle die Übung, die sofort im Anschluss im Klassenverband besprochen wird.

Ziel der Übung ist es natürlich, die notwendigen Schritte bei einer Reanimation immer wieder zu trainieren. Heute steht aber auch das Thema „Crew Resource Management“ (CRM) besonders im Fokus. Es geht um die Frage, wie das Team zusammen funktioniert, wer die Leitung übernimmt, wie die Kommunikation läuft. Im Klassenraum steht ein großes Plakat, das die wesentlichen Punkte des Lerninhaltes CRM verdeutlicht. Schon bei der Aufnahme kann der Übungsleiter Marker setzen, um den Schülern später gezielt bestimmte Szenen zu zeigen.

Michael Schüßler lobt zunächst die vier angehenden Notfallsanitäter. Sie haben es geschafft, „Anne“ zu stabilisieren und sind dabei systematisch vorgegangen. Jeder der vier Aktiven schildert seinen persönlichen Eindruck der Situation. Alle gemeinsam beleuchten im Klassenverband, was gut gelaufen ist, wo es kleine Schwachstellen gab und was verbessert werden kann. „Wir haben die Aufgaben ganz gut verteilt“, meint Nils. Michael Schüßler gibt wichtige Hinweise und verdeutlicht sie mit Hilfe einiger Sequenzen der Aufnahme. „Wenn ein Angehöriger vor Ort ist, stellt ihm bewusst gezielte Fragen“, empfiehlt er. Die Sim-Station zeichnet in der Übungssituation auch die Vitalparameter des „Patienten“ auf. In der Nachbesprechung wird sichtbar, dass die Herzdruckmassage teilweise ein wenig zu schnell und zu flach vorgenommen wurde. „Ich habe mich ablenken lassen und gleichzeitig versucht, das Team zu unterstützen“, reflektiert Julia. Doch gerade die Herzdruckmassage ist eine Aufgabe, die höchste Konzentration erfordert. Es geht um das Überleben des Patienten. Wer die Herzdruckmassage durchführt, muss zu 100 Prozent darauf fokussiert sein. Die Aufzeichnung der Sim-Station bewirkt einen unmittelbaren Lerneffekt.

Michael Schüßler geht gezielt auf das Thema „CRM“ ein. „Wer hat im Szenario das Team geführt?“, möchte er wissen. Die Schüler stellen fest, dass Luis zwar als „Notarzt“ zunächst die Führung übernommen hatte, dann aber wieder die anderen Team-Mitglieder zum Tragen kamen. Die Lehrkraft bringt den Qualitätsgedanken ins Spiel: „Wer hat denn die Qualitätskontrolle übernommen?“, fragt er. Die Aufgaben wurden zwar systematisch abgearbeitet, aber wurde denn auch an alles gedacht? Um zu verdeutlichen, um was es geht, zeigt er wieder einzelne Sequenzen. „Eine Einsatzsituation ist immer komplex“, macht Michael Schüßler klar. „Da müsst ihr an so viele Dinge denken.“ Hilfreich sei es, eine klare Arbeitsverteilung zu wählen und eine Checkliste abzuarbeiten, damit nichts vergessen wird. Am besten sei es, wenn einer aus dem Team die Führung übernehme und den Überblick behalte. Das Team in der Übung habe gut funktioniert, aber keiner habe den Gesamtüberblick gehabt. Anhand der Video-Sequenzen wird den Schülern sofort klar, was gemeint ist.

Die mobile SIM-Station wurde vor einigen Wochen angeschafft, um die Praxisübungen der Schüler noch fokussierter und effektiver durchführen zu können. Die Mitschüler, die nicht an der Übung beteiligt sind, können alles miterleben, stören aber die Übung nicht. Die Auszubildenden in der Übungssituation sind allein im Simulationsraum und können sich so voll auf ihre Aufgabe konzentrieren. Die Nachbesprechung erfolgt unmittelbar nach der Übung, so dass alle Eindrücke noch frisch sind. Die Sim-Station, die auch mobil eingesetzt werden kann, bietet viele Möglichkeiten. Einsatzsituationen können realitätsnah simuliert werden. „Wir freuen uns sehr, dass wir unseren Schülern diese moderne Technik bieten können“, erklärten Michael Dittmar und Michael Schüßler übereinstimmend. Die RDSG wurde im Jahr 2014 gegründet und ist seitdem kontinuierlich gewachsen. Sie bietet unterschiedliche Aus- und Fortbildungsgänge an, Einzelheiten gibt es im Internet unter www.rettungsdienstschule-gelnhausen.de.

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