„Viele Familien sind am Ende ihrer Belastungsgrenze“ – Kreis fordert als Soforthilfe kurzfristigen Start der Tagespflege

„Viele Familien sind am Ende ihrer Belastungsgrenze“ – Kreis fordert als Soforthilfe kurzfristigen Start der Tagespflege

Main-Kinzig (MKK/fw). „Um endlich Planungssicherheit für Eltern, Erzieherinnen und Erzieher, Tageseltern und die Städte und Gemeinden zu bekommen“, erwarten Landrat Thorsten Stolz und Kreisbeigeordneter Winfried Ottmann vom Land Hessen, und hier konkret vom zuständigen Sozialministerium, endlich verlässliche Informationen und Empfehlungen, wie die Wiederaufnahme der Kinderbetreuung in den Einrichtungen und bei Tageseltern ab dem 2. Juni erfolgen soll. Das Land Hessen hatte angekündigt, ab diesem Zeitpunkt einen so genannten „eingeschränkten Regelbetrieb“ stattfinden zu lassen.

„Ich habe kein Verständnis dafür, dass zwei Wochen vorher immer noch die Informationslage dürftig ist. Gerade im sensiblen Bereich der Kinderbetreuung braucht es einen entsprechenden Vorlauf und bedarf es einer guten Organisation und Vorbereitung“, macht Landrat Thorsten Stolz deutlich.

Der Landrat kritisiert in diesem Zusammenhang eine aus seiner Sicht falsche gesellschaftliche Prioritätensetzung. „Wir diskutieren über die Wiederaufnahme des Spielbetriebs in der Fußball-Bundesliga intensiver als über die notwendige Wiederöffnung der Kinderbetreuung in Kitas, Krippen oder der Tagespflege. Dafür fehlt mir im Sinne der Familien, der betroffenen Eltern, der Kinder aber auch all der Menschen, die im verantwortungsvollen Bereich der Kinderbetreuung arbeiten, jedes Verständnis“, so Stolz.

Im Hinblick auf die Städte und Gemeinden, die vielen freien und kirchlichen Träger sowie die Aufgaben des Jugendamtes formuliert Kreisbeigeordneter und Jugenddezernent Winfried Ottmann  seine Erwartungshaltung an das Sozialministerium deutlich. „Viele Eltern sind am Limit und stellen vor Ort verständlicherweise Fragen nach einer Perspektive und Planbarkeit“, weiß der Kreisbeigeordnete. „Sie bekommen im Moment nur unbefriedigende Antworten, weil die Jugendämter selbst nicht wissen, wie es auf kurze Sicht weitergehen wird. Es fehlt an klaren Aussagen durch das Land an die Jugendämter, es fehlt eine einheitliche Linie.“

Kreisspitze: „Pragmatismus für mehr Planbarkeit“

Planungssicherheit und klare Signale für Familien, Erzieherinnen und Erzieher und die einzelnen Träger seien auch deshalb notwendig, da mit Einschränkungen im Regelbetreib zu rechnen sei. „Jeder hat doch Verständnis dafür, dass die Kinderbetreuung nicht sofort wieder komplett hochgefahren werden kann“, so Jugenddezernent Ottmann. Dafür werde weiterhin viel Zeit nötig sein, „aber wir müssen in einen Modus kommen, wo wenigstens wieder eine Teilbetreuung möglich ist, um hier Eltern und Familien zu entlasten“. Alleine schon vor dem Hintergrund, dass vielerorts auch Personal in den Betreuungseinrichtungen den Risikogruppen angehöre und die räumlichen Kapazitäten, genau wie in den Schulen, nicht unendlichen seien, müsse die jeweilige Situation den veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden. Das brauche reichlich Vorlaufzeit.

Landrat Thorsten Stolz und Kreisbeigeordneter Winfried Ottmann schlagen daher für eine klar umrissene Zeit Maßnahmen nach dem Prinzip „Pragmatismus für mehr Planbarkeit“ vor. Dazu gehören der Einsatz von Betreuungshelferinnen und Betreuungshelfern, die keine Fachkräfte sein müssen, ebenso eine Reduzierung von Standards und die Möglichkeit kurzfristiger Betriebserlaubnisse, um zusätzliche Räumlichkeiten zu genehmigen. Wichtig seien „Leitplanken und Leitlinien aus Wiesbaden, die den örtlichen Gegebenheiten angepasst werden können und eine Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der örtlichen Jugendämter ermöglichen“: Auf die derzeitige Situation müsse der Gesetzgeber in Wiesbaden reagieren, damit vor Ort „flexible und unbürokratische Lösungen“ möglich sind und entsprechende Entscheidungen eigenständig auf kommunaler Ebene getroffen werden können, machen Thorsten Stolz und Winfried Ottmann deutlich.

Der Main-Kinzig-Kreis spricht sich auch klar dagegen aus, den Regelbetrieb nur Eltern aus bestimmten Berufsgruppen zu ermöglichen. Thorsten Stolz weist auf eine große Zahl persönlicher Nachrichten hin, die ihm Eltern in den letzten Wochen geschickt haben. „Es gibt Familien, die am Ende ihrer Belastungsgrenze angelangt sind, aber keine Notbetreuung erhalten. Es muss jetzt eine Lösung her, die allen Eltern und Familien wenigstens in Teilen eine Entlastung bringt. Hier geht es um das Zusammenleben in den Familien und auch um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“ Winfried Ottmann ergänzt, dass genau für diese Eltern „eine eingeschränkte Betreuung mit veränderten Betreuungszeiten mit Sicherheit besser ist als weiter im Ungewissen zu bleiben“.

Landrat: „Ermächtigt die Landkreise, wir finden kurzfristig Lösungen“

Als Sofortmaßnahme zur Entlastung von Eltern und Familien schlagen Landrat Thorsten Stolz und Kreisbeigeordneter Winfried Ottmann vor, die Kindertagespflege vorab wieder zu ermöglichen. Hier haben sich in den zurückliegenden Tagen bereits mehrere hessische Landkreise in diese Richtung engagiert – bisher erfolglos. „Bei uns melden sich Tageseltern, die wieder reguläre Kinderbetreuung in ihren kleinen Gruppen anbieten wollen. Die Tageseltern verstehen nachvollziehbar auch nicht, warum das Land Hessen Zusammenschlüsse von bis zu drei Familien als sogenannte familiäre Betreuungsgemeinschaften zulässt, aber weiterhin die Tagespflege nicht genehmigt, in der maximal fünf Kinder zusammenkommen, in immer denselben Räumlichkeiten mit einer festen Bezugsperson“, berichtet Jugenddezernent Ottmann.

Über den Hessischen Landkreistag will die Kreisspitze ihre Position gegenüber dem Land Hessen noch einmal deutlich machen. Sie appelliert in Richtung des hessischen Sozialministeriums, „jetzt umgehend konkrete Vorschläge und Informationen auf den Tisch zu legen, damit für alle Seiten Planungssicherheit hergestellt werden kann“. Landrat Thorsten Stolz bietet an: „Wenn das Sozialministerium keine Entscheidungen treffen kann und will, dann sollen sie uns als Landkreise ermächtigen und wir werden mit den Städten und Gemeinden kurzfristig Lösungen finden.“

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