Hochspannung im Kinzigtal – Interview mit Matthias Fischer

Hochspannung im Kinzigtal – Interview mit Matthias Fischer

Lesung der Bad Orb Kur GmbH in Kooperation mit der Buchhandlung Dichtung & Wahrheit am 21. Mai in der Konzerthalle

Bad Orb (BO/kw). Der neue Krimi von Matthias Fischer, dem sogenannten „Krimipfarrer“ aus dem Main-Kinzig-Kreis, ist im April 2022 erschienen. Die Veranstalter der Lesung haben mit dem Autor über die Entstehensgeschichte, Persönliches und Vorlieben gesprochen.

Herr Fischer, es ist vier Jahre her, seit der bislang letzte Krimi um ihre beiden Protagonisten, den Ermittler Caspari und die Pfarrerin Clara, erschienen ist. In literarischen Dimensionen eine Ewigkeit. Warum hat das denn so lange gedauert?

Das hing zum einen mit meiner gesundheitlichen Situation zusammen. Nachdem ich „Die Bestie vom Kinzigtal“ abgeschlossen hatte, war ich erst einmal nicht in der Lage, weiter an einem neuen Krimi zu schreiben. Zum anderen wusste ich nicht, ob ich überhaupt noch mit diesen Figuren weiterarbeiten wollte. Das Ende des Buches bot mir ja die Möglichkeit zu sagen: Caspari stirbt als Held wie in einem Drama, und damit ist die Krimireihe beendet. Je mehr ich allerdings wieder auf die Füße kam, umso mehr bedrängte mich wieder meine eigene Phantasie. Kurzum: Ich wollte weiterschreiben.

Das Ende des vorangegangenen Krimis „Die Bestie vom Kinzigtal“ hat einige Leser verstört. Mit dem Wissen um diese Reaktionen – würden Sie das Buch heute noch mal genauso enden lassen, oder hätten Sie sich für ein anderes Ende entschieden?

Im letzten Krimi habe ich persönliche Erfahrungen verarbeitet, nämlich immer weiter zu arbeiten, obwohl man psychisch schon lange völlig am Ende ist. Ich habe mich intensiv mit dem Thema Depressionen beschäftigt und entdeckte dabei auch, dass Winston Churchill und Charlie Chaplin eng miteinander befreundet waren, weil sie diese Krankheit teilten. Sie versprachen sich sogar, dass jeder dem anderen hilft, wenn der gerade von einer depressiven Phase erfasst wird. Für Charlie Chaplin waren die Depressionen auch körperlich kaum zu ertragen. Churchills Frau räumte alle Schusswaffen und jegliche Munition aus dem Haus, wenn ihr Mann wieder eine Episode hatte. Depressive Menschen und Therapeuten wissen, dass sich solche Reaktionen durchaus im Bereich des Möglichen bewegen. Wissen Sie, das Leben ist nicht immer schön. Und ich sage es auf meinen Lesungen immer wieder, dass ich nicht die Rosamunde Pilcher aus dem Kinzigtal bin. Deshalb würde ich dieses Ende auch wieder so schreiben.

Wie ist das denn nun mit Caspari und Clara, Ihren beiden Protagonisten – geht die Liebesgeschichte zwischen den beiden weiter, oder nicht?

Na klar! Sie geht weiter. Mehr verrate ich nicht. Wer mehr darüber erfahren möchte, muss das Buch lesen.

Man sagt Ihnen nach, dass Sie in Ihren Büchern Ihre eigenen biografischen Erlebnisse verarbeiten. Ist das richtig?

Wie ich vorhin schon sagte, habe ich in meinem letzten Krimi eben das getan. Was alle meine anderen Krimis betrifft, da ist „Verarbeiten“ nicht das richtige Wort. Es ist ja nicht so, dass das Krimischreiben eine therapeutische Maßnahme für mich wäre. Ich habe vielmehr in jeden Krimi persönliche Erfahrungen einfließen lassen, seien es Eindrücke, die ich in der Seelsorge gesammelt habe oder in der Notfallseelsorge, sei es in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in der Schule und in der Kirchengemeinde und vieles mehr. Ich bin als Pfarrer schon ein Paradiesvogel, das gebe ich zu. Ich praktiziere eine Selbstverteidigungskunst, nämlich Karate, und ich schreibe Krimis. Meine Liebe zu dieser Kampfkunst habe ich in meine Krimis einfließen lassen. Am Anfang hat Caspari Aikido praktiziert. Ich wollte verhindern, dass jemand sagt: „Der Fischer schreibt über sich!“ Mittlerweile ist meine Hauptfigur zum Karate gewechselt. Den Grund erfährt man im neuen Buch. Ich stehe dazu, dass dies „mein“ Wesenszug dieser Figur ist. Auch dass es bei Caspari in der Arbeit nie genug ist, das hat er wohl von mir. In den letzten Jahren haben wir beide gelernt, Selbstwert und Leistung voneinander zu trennen.

Als Kind war ich pummelig. Ich war Zielscheibe des Spotts meiner Klassenkameraden. Diese Erfahrungen hat Caspari tatsächlich von mir geerbt. Ein guter Freund schenkte mir Bodybuilding-Trainingspläne seines Onkels.

Mit 13 Jahren begann ich mit dem Krafttraining. Mein Aussehen veränderte sich, damit auch mein Selbstbewusstsein. Die anderen ließen mich fortan in Ruhe. Auch diese Erfahrung steckt in der Figur. Als Student erfüllte ich mir außerdem meinen Traum und machte mich auf den lebenslangen Weg des Karate. Trotzdem bin ich nie ganz mit meinem Körper zufrieden gewesen. Dieses biographische Detail ist beim Entwerfen der Figur des Doktor Caspari vor ungefähr 18 Jahren auf jeden Fall eingeflossen.

Im neuen Fall von Casapri geht es auch um Datendiebstahl. Sind Sie selbst mit dem Thema Datensicherheit vertraut?

Nicht wirklich. Ich bin froh, dass ich ein richtig gutes Anti-Viren-Programm auf meinen Rechnern habe.

In dem Zuge die klassische Frage zum Schreiben an sich: Zettel und Stift – oder Computertastatur und Bildschirm?

Ich bin kein Freund von Entweder-Oder. Daher: Beides! Das Entwerfen der Figuren, Vorgeschichte und Plot kann ich nur mit einem Stift und einem Notizbuch (Din A5) schreiben. Das Manuskript wird dann getippt.

Haben Sie erst die Idee für den Plot und schreiben dann die Vorgeschichte? Oder anders herum?

Umberto Eco sagte einmal sinngemäß, dass die Phantasie, wenn du sie einmal angefüttert hast, dir immer hinterherläuft, wie ein junger Hund. Mein Unterbewusstsein hält Eindrücke, Gesprächsfetzen, Nachrichten, Emotionen fest, ohne dass ich darauf einen Einfluss hätte. Welchen Filter und welches Auswahlkriterien es dabei verwendet, kann ich Ihnen nicht erklären. Ich weiß es einfach nicht. Irgendwann formt sich daraus eine Idee, die ich eine ganze Weile in meinen Gedanken bewege, bis sie es wert ist, aufgeschrieben zu werden. Plot und Vorgeschichte wachsen miteinander, manchmal kommt mir die Idee zur Vorgeschichte aber auch erst beim Schreiben des Plots.

Wie wichtig ist Recherche für Sie? Und wie beschaffen Sie sich Ihre Fakten?

Ich nehme mir Zeit für eine gründliche Recherche. Mich unterstützen Fachleute, zum Beispiel ein Psychiater, eine leitende Polizistin und viele mehr. Mit den Jahren habe ich mir ein Netzwerk aufgebaut. Außerdem finde ich Wissen in Büchern und im Internet.

Haben Sie selbst einen Schriftsteller oder eine Schriftstellerin als Vorbild? Und was schätzen Sie an diesem oder dieser besonders?

Ich mag Lee Childs Krimis aus der Jack-Reacher-Reihe. Sie sind unglaublich spannend geschrieben, das Ende ist jedes Mal nicht vorhersehbar, und Jack Reacher fällt als Protagonist aus sämtlichen Stereotypen der üblichen Krimihelden. Als ich mit dem Schreiben meiner Krimis begann, kannte ich die Bücher von Lee Child noch nicht. Also kann ich nicht sagen, dass er mein Vorbild ist.

Was meine Festlegung auf Regionalkrimis betrifft, da hat mich im Wesentlichen Henning Mankell mit seinen Wallander-Krimis beeinflusst. Sie spielen immer in derselben Ecke in Schweden, nämlich in der Region um Ystad. Auch diese düstere Atmosphäre und die Psyche der Täter in seinen Krimis hat mich fasziniert. Ich denke, meine ersten beiden Krimis, „Die Farben des Zorns“ und „Tödliche Verwandlung“, waren sehr stark von ihm beeinflusst. Aber dann hatte ich mich davon gelöst, zumal mich auch die Thematik des organisierten Verbrechens sehr interessierte.

Welches Buch hätten Sie gerne selbst geschrieben?

„Am Arsch vorbei geht auch ein Weg“ von Alexandra Reinwarth. Sehr viel Lebensweisheit auf eine Art präsentiert, die zum Kaputtlachen ist.

Sie sind von Beruf Pfarrer, arbeiten aktuell in einer Schule – da dürften Ihnen ja nicht so viele grauselige Dinge geschehen. Wie kommen Sie auf Ihre Ideen?

Daran war erst einmal Henning Mankell schuld. Und dann die ganzen anderen skandinavischen Autoren. Nein, das ging eigentlich schon viel früher los. Als Jugendlicher habe ich die griechischen und die germanischen Helden- und Göttersagen gelesen. Das ist richtig grausam. Damit war meine Phantasie denn auch angefüttert. Die Psyche eines Serientäters hat eine gewisse Faszination und etwas Abstoßendes zugleich. Man selbst will einem solchen Menschen ja nie persönlich begegnen, und doch sind die Interwies und die ärztlichen Gutachten sehr interessant.

Bei dem organisierten Verbrechen verhält es sich anders. Ich lehne es aus tiefstem Herzen ab. Ich beschäftige mich damit, weil ich wissen will, wie man es am besten bekämpft. Vielleicht will ich mich einfach nur beruhigen mit dem Wissen, dass das Gute schließlich doch siegt.

Und wo kommen Ihnen diese Ideen? Haben Sie da für sich ein „Erfolgsrezept“?

Wie gesagt: Die erste Auswahl trifft mein Unterbewusstsein. Darauf habe ich erst einmal keinen rational gesteuerten Einfluss. Die Idee zum neuen Buch kam mir, als ich meinen Bücherschrank aufräumte. Fragen Sie mich jetzt bitte nicht, wie genau das jetzt passiert ist.

Warum schreiben Sie eigentlich Krimis? Sie sind Pfarrer und Meditationslehrer. Da liegen doch andere Genres viel näher.

Ich möchte unterhalten, ganz einfach. Wenn ich schreibe, dann habe ich selbst Kopfkino. Ich werde durch meine eigene Phantasie also selbst unterhalten.

Außerdem ist der Markt mit Ratgebern und Meditationsbüchern überschwemmt. Ich suche seit Jahren einen Verlag, der ein Buch von mir veröffentlicht, das in die Richtung Lebensratgeber und Meditationshilfen geht. Allerdings ist der Markt wirklich völlig gesättigt.

Welche Rolle spielt unsere Region in Ihren Krimis?

Eine ganz wichtige Rolle. Ich muss die Region kennen und vor allem auch lieben, in der die Handlung spielt. Sonst macht es mir keinen Spaß, den Plot zu entwickeln.

Wenn man Ihre Krimis liest, könnte man vermuten, dass der Weiherhof Ihr Lieblingsort im Main-Kinzig-Kreis ist. Stimmt das? Oder welcher ist es?

Zumindest war er das einmal. Früher war ich dort mit meinem Labrador oft schwimmen. Nach der langen Pandemie-Zeit beginne ich, wieder ganz neu das Kinzigtal, den Vogelsberg und des Spessart für mich zu entdecken. Bestimmt kommen ein paar Lieblingsorte hinzu.

Was wären Sie in einem Interview schon immer gerne mal gefragt worden, aber niemand hat Sie bislang danach gefragt? Und was wäre die Antwort?

Wenn die Krimi-Reihe einmal verfilmt würde – wer sollte die Figur des Caspari spielen? Meine Antwort wäre: Henning Baum

Für Samstag, 21. Mai, um 19 Uhr, lädt Fischer in den Gartensaal der Konzerthalle Bad Orb ein, um einen Eindruck von der düsteren Welt seines neuen Krimis zur vermitteln. Eintrittskarten für sieben Euro sind sowohl in der Tourist-Information Bad Orb, Kurparkstraße 2, Bad Orb, Tel. 06052 83-14, als auch in der Wächtersbacher Buchhandlung Dichtung & Wahrheit, Obertor 5, Wächtersbach, erhältlich.

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