„Hand aufs Herz“ sagt vorerst alle Gegenkundgebungen ab

„Hand aufs Herz“ sagt vorerst alle Gegenkundgebungen ab

Gelnhausen (as/jh). Die parteiübergreifende Initiative „Hand aufs Herz“ sagt zum Schutz aller Beteiligten bis auf weiteres ihre Gegenkundgebungen zu den regelmäßigen Querdenker-Aufmärschen in der Main-Kinzig-Kreisstadt Gelnhausen ab. Das betrifft auch die für den heutigen Montag geplante Gegenkundgebung zu einem von den Querdenkern initiierten Autokorso. „Sicherheit und Gesundheitsschutz aller Beteiligten sind nach uns vorliegenden Erkenntnissen während, vor allem aber auch außerhalb der Kundgebungszeiten nicht mehr gewährleistet. Für diese Gemengelage kann derzeit niemand mehr die Verantwortung tragen“, so die Initiatoren von „Hand aufs Herz“, Julia Hott und Alexander Schopbach. Wofür „Hand aufs Herz“ steht und auch weiterhin konsequent einstehen wird, schildern die beiden Initiatoren im nachfolgenden Schreiben, das am heutigen Montag verlesen werden sollte.

Auf ein Wort, werte Mitläufer der Querdenker-Kundgebungen in Gelnhausen! Ihr werft uns bei jeder sich bietenden Gelegenheit vor, dass wir nicht zum Dialog mit Euch bereit sind. Gleich vorneweg: Ja, das stimmt, wir sind nicht zum Dialog mit Eurer so genannten „Allianz pro Grundgesetz“ bereit. Sehr gerne möchten wir Euch an dieser Stelle noch einmal erklären, warum das so ist. Denn wir haben das Gefühl, dass da bei Euch irgendwie ein Informationsvakuum entstanden ist, das es Euch massiv erschwert, die wahren und belegten Gründe dafür zu verstehen.

Ja, auch wir sind total genervt von all den Coronaregeln und -Anweisungen. Homeoffice, Homeschooling und die Beschränkung sämtlicher sozialen Kontakte gehen uns gewaltig auf den Zeiger. Sehr gerne würden wir uns wieder mit all unseren Freunden treffen, Sport zusammen machen, uns mit Kollegen austauschen, ausgiebig feiern gehen, unsere Lieben im Pflegeheim besuchen, Gottesdienste feiern und einfach das wunderbare Leben genießen. Ja, auch wir vermissen die Freiheiten und Freizügigkeiten, die wir alle noch bis zum 13.3.2020 genossen haben. Auch wir vermissen unser ganz normales Leben!

Aber – und das scheint uns elementar voneinander zu unterscheiden: Wir erkennen die riesige Gefahr, die von diesem Virus ausgeht, und reflektieren, dass es unsere gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die vermeintlich Schwachen und Geschwächten zu beschützen. Und um diesen Schutz zu gewährleisten sind leider krasse Maßnahmen erforderlich, die uns allen wahrlich nicht schmecken. Maßnahmen, die ganz tief in unser aller Privatsphären eindringen, unser Leben zum Teil massiv beschränken und uns sogar teilweise an die Grenzen unserer Existenz treiben.

Allerdings: Diese Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie werden zumindest hier in Deutschland und Europa in langwierigen Debatten von Menschen auf den Weg gebracht, deren Ziel einzig und allein die Erfüllung des wichtigsten grundgesetzlichen Auftrags ist, nämlich des Schutzes eines jeden Einzelnen. Man mag darüber streiten, ob jede Maßnahme für sich gesehen sinnvoll und zielorientiert ist. Wir haben gerade erst in den letzten paar Tagen erlebt, dass die Meinungen hierzu stark variieren können und auch Fehler gemacht werden. Aber Fakt ist aus unserer Sicht: Die Zielrichtung ist richtig, der Weg dahin kann und muss auch durchaus offen diskutiert werden.

Was uns massiv stört ist, dass Euch in eurer so hehren kritischen Auseinandersetzung mit der Pandemie und ihren Folgen ein ganz elementarer, ein schlimmer Fehler unterlaufen ist: Ihr wurdet von Kräften unterwandert, denen das einzelne Individuum und sein leibhaftiger Schutz so wichtig ist wie die Tatsache, ob in China ein Sack Reis umfällt oder nicht. Die einzige Motivation dieser Kräfte ist es, Euch von der Mär zu überzeugen, dass unser Land, unsere Demokratie, unsere Werte, unsere Abstimmungs- und Diskussionsprozesse angeblich nicht funktionieren. Sie wollen Euch weiß machen, wir lebten in einer Diktatur, wir wären alle entrechtet und hätten keinerlei Entscheidungsbefugnisse. Und sie tun das nur mit einer einzigen Zielsetzung – sie wollen ihre Werte, ihre Vorstellungen, ihre Ideologien verankern.

Doch was hieße das denn schlussendlich für uns alle? Habt Ihr Euch das denn jemals überlegt? Immerhin gibt es in der jüngeren zurückliegenden Geschichte (1933-1945) nun wirklich genügend grausame Belege dafür. Soll uns jeder einzelne Tote – oder verallgemeinert – die Sterberate durch COVID-19 egal sein? Soll es keine Rolle spielen, ob Kinder ihre Großeltern oder ihre Eltern anstecken? Sollte die Beschaffung von Impfstoffen gänzlich ohne Rücksicht darauf erfolgen, was in unserer direkten Nachbarschaft, in unserem Friedensanker Europa, geschieht? Frei nach dem Motto „Germany First“? Mit dem Risiko, dass damit internationale Konflikte geschürt würden? Ist es das, was Ihr Euch unter einer freien, friedlichen und glücklichen Welt vorstellt? Ist es Euch egal, ob eure Lieben an den Folgen dieses Virus elendig zu Grunde gehen? Sicher nicht!

Deswegen stehen wir zusammen in dieser herausfordernden, aber nicht unüberwindbaren Zeit. Zum Glück! Uns fordert gerade ein kleines, fast unsichtbares Lebewesen namens Covid-19, das wir nur gemeinsam bekämpfen können. Und bekämpfen können wir es eben nur mit Achtsamkeit uns selbst gegenüber und gegenüber unserem Umfeld. Mit Vertrauen darauf, dass alle von uns demokratisch legitimierten Volksvertreter*innen genau nur dieses eine Ziel verfolgen: Das Virus in all seinen Varianten final zu besiegen!

Den Kräften, die Euch instrumentalisieren, geht es mitnichten um das Erreichen dieses klaren Ziels. Sie wollen letztendlich unser System stürzen, dessen Legitimation sie jetzt in dieser Krise offen und populistisch in Frage stellen. Sie wollen ihre Anschauungen, durchsetzt von Hass und Hetze, etablieren, um letztlich uns alle zu manipulieren und zu kontrollieren. Sie wollen keine Freiheit, keinen Frieden, keine Toleranz. Sie wollen einzig und alleine Macht und Autokratie. Was wären AfD, NPD und REPublikaner ohne Krisen? Sie wären ein NICHTS, weil ihre Lösungsansätze rein gar nichts mit einem friedlichen, glücklichen Zusammenleben aller zu tun haben. Vielleicht versteht Ihr jetzt, warum wir den Dialog mit Euch strikt ablehnen!

Wir wollen, dass wir alle gemeinsam diese verdammte Herausforderung meistern, um anschließend gestärkt und geeint aus dieser Krise hervor zu gehen. Wir wollen eine Welt, in der Respekt und Toleranz für jeden Einzelnen gelten, in der jedes einzelne Menschenleben gleich viel wert ist und jeder selbstverständlich bereit ist, vergleichsweise geringe individuelle Opfer für die Rettung von Menschenleben zu erbringen. Opfer, die sich derzeit doch tatsächlich auf einem relativ niedrigen Niveau bewegen, vergleicht man sie mit den Opfern, die Menschen in Kriegen erbringen müssen oder erleiden. Wir sollen Masken tragen und Abstand halten, Räume ausreichend lüften und größere, unüberschaubare Menschenansammlungen vorübergehend vermeiden.

Wir appellieren deshalb an Euch alle: Kehrt diesen Kräften den Rücken zu, die Euch einzig instrumentalisieren, weil sie ihre kruden Visionen von Menschenrechten etablieren wollen. Distanziert euch deutlich und klar von ihnen! Lasst uns zusammen stehen und dieses Virus in seine Schranken verweisen. Damit wir alle wie Phoenix aus der Asche auferstehen können, in einer besseren Welt, in der jedes einzelne Individuum unabhängig von Geschlecht, Aussehen, Herkunft, Orientierung oder Leidenschaft gleich viel zählt.

Gemeinsam können wir das Virus und seine Auswirkungen besiegen. Wenn wir uns wieder vertrauen und eine ähnliche Vorstellung von dieser einen Welt gewinnen, in der wir gemeinsam leben und die Würde jedes Menschen achten. Über die richtigen Wege dahin lasst uns fair und offen debattieren, Mehrheiten bei demokratischen Wahlen erringen und Bündnisse schließen. Und lasst uns alle dabei eines niemals vergessen: Jedes Leben ist gleich viel wert und hat den Schutz der Gemeinschaft verdient. Ohne Ausnahme. Ohne Wenn und Aber! Wenn Ihr aber genauso weiter macht und Euch weiterhin in dunkle Machenschaften reißen lasst, wird es wohl noch verdammt lange dauern, bis wir dieses scheiß Virus besiegt haben. Und danach werden dieses Land, dieses Europa, diese Welt ganz bestimmt keine besseren sein. Ihr habt die Wahl!

Wir haben gewählt und gehen unseren Weg als Gelnhäuser, als Hessen, als Deutsche und als Europäer weiter: Wir tragen Masken und halten Abstand, um Corona zu besiegen und Tod bringende Ansteckungen zu vermeiden. Und wir zeigen weiter klar Flagge gegen all die Kräfte, denen Ideologie, Verschwörungsmythen, Hass und Hetze vor Gesundheitsschutz, Solidarität, Liebe, Freiheit und Menschenwürde gehen. Dafür legen wir jeden Tag aufs Neue unsere Hand aufs Herz!

Julia Hott und Alexander Schopbach von „Hand aufs Herz“

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