Der seltene Wachtelkönig – er ist wieder da

Der seltene Wachtelkönig – er ist wieder da

In Deutschland selten gewordener Zugvogel führt ein heimliches Leben in dichter Vegetation – nach Biebergemünd zurück gekehrt.

Biebergemünd (BBGMD/rf). Eine kleine Natur-Sensation für die Gemeinde: Der Wachtelkönig ist in der Biebergemünder Gemarkung gesichtet worden. Und nein – es handelt sich hier nicht etwa um eine Kunstfigur aus einem Cartoon oder Kinderbuch. Der Wachtelkönig ist ein scheuer und in Deutschland selten gewordener Zugvogel, der ein heimliches Leben in dichter Vegetation führt. Daher ist er auch nur schwer zu beobachten oder zu fotografieren, was nun aber dem Biebergemünder Fotografen Jörg Amberg gelungen ist. Amberg, der in engem Kontakt mit dem Jagdpächter und Experten Maarten Fijnaut steht, lag insgesamt über acht Stunden auf der Lauer, bis seine Geduld belohnt wurde: Am 8. Juni um 4:54 Uhr präsentierte sich der scheue „König“ für eine Minute vor der Kamera, am nächsten Morgen hatte der Fotograf dann um 5:47 Uhr noch einmal dieses kurze Glück.

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Die Bilder sind nicht nur für die Gemeinde spektakulär. Das Vorkommen des Wachtelkönigs in Biebergemünd wurde inzwischen auch von amtlicher Seite begeistert aufgenommen. Am vergangenen Sonntagabend war Jörg Amberg mit dem Landeschef der HGON (Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V.), Tobias Reiners, vor Ort. Der Wachtelkönig ist am ehesten durch seine prägnanten Rufe zu erkennen, und der Experte von der HGON bestätigte, mindestens fünf sogenannte Rufer gehört zu haben.

Das ist eine Sensation“ für Naturparkführer Rudi Ziegler, der ebenfalls für die HGON tätig ist. Ziegler, der sich u.a. am regelmäßigen Monitoring der HGON zur datenmäßigen Ermittlung der hiesigen Arten beteiligt, betont: „Das ist auch hessenweit eine absolute Rarität. Beim Monitoring 2017 beispielsweise wurden nur drei Rufer in ganz Hessen gezählt. Fünf Exemplare an einem Ort, das ist die größte Anzahl in Hessen seit zehn Jahren.“

Große Freude also für alle im Naturschutz Engagierten, Ornithologen und natürlich auch für die Gemeinde Biebergemünd. Denn der Wachtelkönig, der trotz seines klingenden Namens nicht zu den Hühnervögeln, sondern zu den Rallen gehört, ist in Deutschland mittlerweile vom Aussterben bedroht. Der Langstreckenzieher benötigt für die Aufzucht seiner Jungen intakte Feuchtwiesen, die auch bei uns selten geworden sind. Hier sucht zunächst das Männchen nach seiner langen Reise aus den afrikanischen Überwinterungsgebieten einen geeigneten Brutplatz aus. Etwas später kommen die Weibchen an, die dann von mehreren „Verehrern“ mit ihren Rufen angelockt werden. Die Weibchen zeigen sich hier durchaus wählerisch: nur wenn genügend Männchen rufen, lassen sie sich nieder und verpaaren sich.

Der Nachwuchs wird dann etwa zwölf Tage lang von ihnen betreut, die Jungvögel sind mit vier bis fünf Wochen flügge. Bis dahin wandern sie in der Deckung umher und sind so in hohem Maße von verschiedenen Räubern bedroht. Für Maarten Fijnaut, der seit 2013 Jagdpächter in Biebergemünd ist, steht daher die jagdliche Begleitung, natürlich unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben, an erster Stelle. „Wir machen hier aktives Prädatorenmanagement, dies bezieht sich v.a. auf Fuchs und Waschbär. Das dient gerade in der Kulturlandschaft dem Schutz vieler Arten: Hase oder Fasan beispielsweise haben sich in den letzten Jahren in bemerkenswerter Weise erholt. Auch der Wachtelkönig wird von diesem Schutz profitieren.“

Am Schutz des seltenen Besuchers beteiligen sich natürlich auch die Gemeinde Biebergemünd und die betroffenen Landwirte. Für Manfred Desch, der als Hauptbetroffener bei dem Treffen zugegen war, ist das Vorkommen des Wachtelkönigs so besonders, dass er zumindest zweitweise auf das Mähen verzichtet. „Ich lass dafür auch mal eine Fläche stehen.“ Auch die Landwirte Wagner und Daus haben bereits signalisiert, dass sie zunächst auf die Bewirtschaftung der Wiesen verzichten. Um einen Ausgleich für den wirtschaftlichen Verlust zu finden, laufen zurzeit intensive Gespräche mit allen Beteiligten, auch mit der Unteren Naturschutzbehörde und dem Schutzgebietsmanagement des MKK.

Manfred Desch wies jedoch darauf hin, dass bei allem notwendigen Naturschutz auch freilaufende Hunde eine enorme Bedrohung für den Wachtelkönig darstellen – und nicht nur für diesen. Die Gemeinde Biebergemünd appelliert aus dem Grund erneut an alle Hundehalter: „Bitte halten Sie Ihre Tiere an der Leine! Wir sind mitten in der Brut- und Setzzeit. Das heißt, Rehkitze und Bodenbrüter bedürfen unseres besonderen Schutzes. Dass der seltene Wachtelkönig als Neubürger der Gemeinde sein Sommerdomizil hier bezogen hat, sollte uns allen noch mehr Anlass geben, ihn und seine Nachbarn in Ruhe zu lassen“, betont Bürgermeister Matthias Schmitt.

Zum Bild, von links: Manfred Desch, Maarten Fijnaut, Jörg Amberg und Rudi Ziegler.

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