Qualitätsmanagement in der Notfallversorgung hat im Kreis eine längere Tradition.
Main-Kinzig (MKK/fw). Die Qualität der Notfallversorgung hängt in Deutschland von vielerlei Faktoren ab, im föderalen System sind die Vorgaben und auch die Ausgestaltung mitunter sehr verschieden. „Wir pflegen und stärken im Main-Kinzig-Kreis eine kurze, nahtlose Rettungskette. Das beginnt bei der unmittelbaren Hilfe durch Corhelper und mündet in der Betreuung durch Rettungsdienst und Kliniken“, erklärt Landrat Thorsten Stolz. „Für eine gute Versorgung ist es daher unabdingbar, dass jedes Glied dieser Kette auch stark bleibt und nicht etwa die Kliniklandschaft weiter ausdünnt oder der Rettungsdienstbereich stärker belastet wird, sei es durch Hindernisse bei der Ausbildung oder eine nicht mehr zeitgemäße Form der Finanzierung.“
In der Verantwortung für die gut 430.000 Bürgerinnen und Bürger im Main-Kinzig-Kreis nimmt die Zentrale (Integrierte) Leitstelle des Landkreises eine ganz entscheidende Rolle ein. Die Disposition von rund 100.000 Einsätzen für Rettungsdienst und Feuerwehr sowie die Abwicklung von zusätzlichen Übungen und Vermittlungstätigkeiten ergeben für das vergangene Jahr zusammen 140.000 Einsatzereignisse. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, bedarf es einer stringenten Organisation und speziell ausgebildeten Personals. Die Verantwortlichen sind sich dieser Aufgabe bewusst und passen die Strukturen der Entwicklung regelmäßig an.
Der Stamm von 31 hauptamtlichen Einsatzbearbeitenden und acht weiteren Kräften stellt die Basis für den 24-Stunden-Betrieb in der Leitstelle des Main-Kinzig-Kreises dar. Das Personal unterliegt einer jährlichen Fortbildungspflicht von 120 Stunden und wird durch den Ausbildungsleiter der Leitstelle, Manuel Hack, und den Ärztlichen Leiter Rettungsdienst, Dr. Manuel Wilhelm, geplant und durchgeführt. Hierzu zählen In-House-Seminare, Online-Schulungen, die auch von zu Hause durchlaufen werden können, Simulationstrainings sowie Hospitationen im Rettungsdienst, bei den Feuerwehren, bei der Polizei und in den Kliniken. „Das Qualitätsmanagement ist somit wesentlicher Bestandteil der täglichen Arbeit der Kolleginnen und Kollegen“, erläutert Landrat Stolz.
Dr. Wolfgang Lenz, Leiter des Amtes für Gesundheit und Gefahrenabwehr, erklärt, dass der Main-Kinzig-Kreis „als eine der ersten Leitstellen Hessens“ vor fast 20 Jahren die sogenannte Telefonreanimation eingeführt habe. „Die Anrufer werden bei einem gemeldeten Herzkreislaufstillstand durch den Einsatzbearbeitenden angeleitet, um die Zeit bis zum Eintreffen der alarmierten Ersthelfer und des Rettungsdienstes zu überbrücken“, erläutert Dr. Lenz. Die Durchführung einer Telefonreanimation ist aufgrund ihrer Komplexität, einer hohen Dynamik und zudem begründet durch eine häufig eingeschränkte bis fehlende Compliance der Anrufenden und einem hohen Stresslevel unter den Einsatzkräften quasi die „Königsdisziplin“ in der Einsatzbearbeitung. In der Leitstelle wird die Telefonreanimation daher ein hohes Maß an Trainings- und Coachingmaßnahmen sowie stetiger Re-Evaluation beigemessen.
Günther Seitz, stellvertretender Amtsleiter und Leiter der Abteilung Gefahrenabwehr, führt aus, dass die besonderen Herausforderungen darin liegen, „einen Herzkreislaufstillstand sofort zu erkennen und dann schnell zur konkreten Hilfe überzugehen“. „Die Bürgerinnen und Bürger am Telefon müssen fachlich korrekt angeleitet werden und gleichzeitig überzeugt werden, dass sie jetzt selbst handeln und reanimieren müssen“, so Seitz. Damit sich das Leitstellenpersonal rein darauf konzentrieren kann, gibt es einen „Rapid Dispatch“, also die Möglichkeit, parallel die Rettungsmittel zu alarmieren, ohne das Gespräch mit den Erste-Hilfe-Leistenden abreißen zu lassen.
Auf diese Fälle bereitet der Main-Kinzig-Kreis sein Personal in den Leitstellen wiederkehrend vor. Dazu gehören entsprechende Simulationen sowie Nachbesprechungen mit den Einsatzbearbeitenden nach durchgeführten Telefonreanimationen. Durch die Teilnahme am Deutschen Reanimationsregister werden alle durchgeführten Telefonreanimationen und zugehörigen Notrufdialoge durch die ärztliche Leitung Rettungsdienst angehört und bedarfsweise nachbesprochen. Zudem werden alle Zeitabschnitte der Reanimationen ausgewertet. Anhand dieser Ergebnisse werden permanent Rückschlüsse gezogen, Arbeitsprozesse angepasst und die Struktur- und Ergebnisqualität sukzessive verbessert.
Der Leitstellen- und Rettungsdienstbereich Main-Kinzig nimmt zudem als zweiter Hessischer Landkreis an der internationalen „Resuscitation Academy“ teil. In diesem Programm werden mithilfe von international anerkannten Experten Arbeitsprozesse der teilnehmenden Leitstellen- und Rettungsdienstbereiche im Rahmen der Reanimationsversorgung weiter angepasst, was eine zusätzliche Optimierung der Überlebenschancen nach einem Herzkreislaufstillstand zur Folge hat.
Einheitlich, schnell, unterstützend: Strukturierte Notrufabfragen
Um eine qualitativ hochwertige Notrufabfrage zu gewährleisten, wird seit einigen Jahren eine strukturierte Notrufabfrage genutzt. Entscheidende Vorteile dieser Abfrage sind die Einheitlichkeit in der Einsatzbearbeitung, eine schnellere Ersteinschätzung des Patientenzustands als Erleichterung der folgenden Rettungsdienst-Arbeit, eine je nach Meldebild gesonderte, zielgerichtete Zusatzabfrage sowie die Weitergabe von notfallbezogenen Hilfestellungen an die Notrufenden. Die Hilfestellungen werden durch eine Arbeitsgemeinschaft der ärztlichen Leiter Rettungsdienst in Hessen überwacht und angepasst. Die strukturierte Notrufabfrage ermöglicht zudem die Dokumentation des Notrufdialogs in Form eines Gesprächsprotokolls und steht mindestens zehn Jahre als Nachweis zur Verfügung.
Das in der Leitstelle des Main-Kinzig-Kreises genutzte Qualitätsmanagement-Dokumentationssystem (BITqms) ermöglicht ein komfortables Dokumentenmanagement und kann mit dem Rettungsdienst bereichsübergreifend genutzt werden. Über dieses System werden die Mitarbeitenden über aktuelle Dienst- und Verfahrensanweisungen sowie über regelmäßige Änderungen bestehender Vorgehensweisen informiert. Über die Software wird zudem eine Lesebestätigung der Mitarbeitenden eingefordert, mit welcher sichergestellt wird, dass sich alle Mitarbeitenden auf demselben Kenntnisstand befinden.
„Auch wenn wir mit unserem Qualitätsmanagementsystem im Rettungsdienst des Main-Kinzig-Kreises auf einem sehr guten Weg sind, die Qualität der Notfallversorgung auf ein hohes Niveau zu bringen, bedeutet es eine permanente Weiterentwicklung der Prozesse rund um den Rettungsdienst zum Wohle der uns anvertrauten Patienten“, so Dr. Lenz.
Jeder kann zum Lebensretter werden
Für Landrat Thorsten Stolz ist das Qualitätsmanagement ein zentrales Instrument zur Verbesserung in der Notfallversorgung. „Neben der Hauptamtlichkeit hat aber auch jede Privatperson die Möglichkeit, das Lebensretter-Netz dichter zu weben. Erste Hilfe sollte für alle Bürgerinnen und Bürger zu den Grundlagenfähigkeiten gehören. Deshalb werben wir an Schulen dafür, Reanimation und Erste Hilfe mit jungen Menschen zu üben. Und deshalb werben wir auch um eine Registrierung in der Corhelper-App“, sagt Thorsten Stolz.
Wer in seiner Freizeit Leben retten und als Corhelper Teil der Rettungskette werden möchte, kann sich ganz einfach registrieren. Für die ehrenamtliche Alarmierung als sogenannter „Aktivierter Ersthelfer“ über die im Kreis verwendete Corhelper-App ist lediglich die Installation und Freigabe der App auf dem eigenen Smartphone, die Registrierung sowie der Nachweis eines Erste-Hilfe-Kurses als Mindestvoraussetzung erforderlich.
Corhelper sind uneingeschränkt freiwillig aktiv und können bei jedem Einsatz neu entscheiden, ob sie diesen annehmen oder nicht. Für ungestörte Zeiträume kann die App auch stunden- oder tageweise deaktiviert werden. Selbstverständlich besteht ein verlässlicher Haftpflicht- und Unfallversicherungsschutz für ehrenamtliche Helfer. Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite des Main-Kinzig-Kreises unter www.mkk.de.
Zum Bild: Über die Zentrale (Integrierte) Leitstelle des Main-Kinzig-Kreises sind alleine im vergangenen Jahr rund 140.000 Ereignisse bearbeitet und koordiniert worden. Foto: Scscha Rheker