IHK befürchtet: Wirtschaftskrise verschärft sich weiter

IHK befürchtet: Wirtschaftskrise verschärft sich weiter

„Hellt sich dann die Stimmung in der Wirtschaft nicht auf, werden im Main-Kinzig-Kreis noch deutlich mehr Lichter ausgehen als bisher.“

Main-Kinzig (IHK/sl). Bereits im Frühsommer (in der jüngsten Konjunktur-Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern) fiel die Stimmung der befragten Unternehmen ernüchternd aus. Auch die aktuelle Umfrage zeigt keine Verbesserung. Im Gegenteil: Die Stimmung hat sich über alle Branchen hinweg deutlich verschlechtert. Der Saldo der Lagebeurteilung, also die Differenz zwischen positiven und negativen Einschätzungen der aktuellen wirtschaftlichen Lage, liegt jetzt über alle Branchen hinweg bei -12,7 Prozent und liegt somit 12,1 Prozentpunkte unter dem Wert der vorherigen Umfrage.

„Wir führen diese Umfrage seit Anfang der 2000er Jahre durch,“ erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Gunther Quidde und betont: „Schlechtere Werte gab es nur in der großen Wirtschaftskrise nach dem 11. September 2001, in der Weltfinanzkrise 2008/2009 und zu Beginn der Corona-Pandemie.“ Wenn es überhaupt einen Lichtblick am Horizont gibt, dann ist er sehr blass: Die Anzahl der Unternehmen, welche ihre Zukunft als gut einschätzen hat sich – minimal – um 0,4 Prozentpunkte (auf 12,1 Prozent) verbessert und die Anzahl der Unternehmen, die ihre Zukunft als eher schlecht einschätzen ist – ebenfalls minimal – um 0,1 Prozentpunkt (auf 27,7 Prozent) gesunken.

Industrierezession

Die Stimmung ist über fast alle Branchen hinweg schlecht. Dass aber die Stimmung in der Industrie besonders schlecht ist, ist ein Alarmsignal für den Main-Kinzig-Kreis, den diese Branche besonders prägt. Der Saldo aus guter und schlechter Bewertung der aktuellen Geschäftslage liegt bei -32. Das ist ein Einbruch von 12,8 Prozentpunkten in wenigen Monaten. Selbst während des Lockdowns war die Stimmung mit -35,1 Prozentpunkten nur wenig schlechter. Während aber in der Pandemie nach drei Umfragen mit negativer Lagebewertung die Stimmung in der Industrie wieder anzog, steckt in der aktuellen Umfrage der Lageindikator bereits das vierte Mal hintereinander tief in den roten Zahlen. Das hat es vorher nur in der Weltfinanzkrise 2009 gegeben.

Sollte sich die Erholung ähnlich langsam wie vor 15 Jahren vollziehen, dann stehen der Industrie im Main-Kinzig-Kreis und damit der ganzen Region schwere Zeiten bevor. Denn auch der Zukunft sieht die Industrie mit großer Skepsis entgegen. 28 Prozent der befragten Unternehmen sehen ihre Zukunft als ungünstig an und nur 14 Prozent als günstig an. Dadurch ergibt sich ein Saldo von -14 Prozentpunkten unter der Vorperiode. „Aber nicht nur die Industrie – dort insbesondere die Vorleistungs- und Investitionsgüterproduzenten, sondern auch der Einzelhandel und viele Dienstleister weisen gravierend schlechtere Zahlen gegenüber der vorangegangenen Konjunktur-Umfrage im Frühsommer auf,“ betont Quidde. Bei den Vorleistungsgüterproduzenten (54,5 Prozent) sowie bei den Ge- und Verbrauchsgüterproduzenten (57,1 Prozent) bewertet mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen ihre Lage als schlecht. Ein kleiner Lichtblick: Im Saldo blicken 28,6 Prozent der Ge- und Verbrauchsgüter-Produzenten positiv in die Zukunft. In der vergangenen Konjunktur-Umfrage waren es nur 20 Prozent.

Neuer Tiefpunkt der Investitionsabsichten

Die deutschen IHKs fragen seit Anfang der 2000er Jahre, ob die Unternehmen in der Zukunft eher mehr (aktuell: 17,6 Prozent der Unternehmen), weniger (45,6 Prozent) oder genau so viel (35,9 Prozent) investieren wollen wie bisher. Der Saldo aus „mehr“ und „weniger“ liegt aktuell bei katastrophalen -28,9 Prozent. In allen bisherigen Umfragen war nur einmal die Investitionsneigung geringer (-39,2 Prozent): Auf dem Höhepunkt der Pandemie im Frühsommer 2020. Damals allerdings verbesserte sich die Investitionsneigung von Umfrage zu Umfrage, so dass der Indikator nach drei Umfragen wieder – schwach – positiv wurde. Ganz anders die aktuelle Wirtschaftskrise: Diesmal ist die Investitionsabsicht der Unternehmen zum siebten Mal hintereinander negativ.

„Unternehmen sind konjunkturelles Auf und Ab gewöhnt. Besonders zukunftsorientierte Unternehmer nutzen Konjunkturkrisen sogar, um zu investieren – weil sie an ihre eigenen Fähigkeiten und den Wirtschaftsstandort Deutschland glauben. Wenn jetzt schon siebenmal hintereinander – seit Herbst 2022 und damit so lange wie noch nie – die Mehrheit der Unternehmen ihre Investitionen weiter zurückfahren will, dann hat die De-Industrialisierung des Main-Kinzig-Kreises nicht erst begonnen, dann sind wir mittendrin,“ kommentiert Quidde. Auch die Bereitschaft zu Neueinstellungen und das Exportvolumen sinken weiter. Bei den geplanten Neueinstellungen liegt der Saldo über alle Branchen hinweg bei -11,3 Prozent. Er ist wie bei den Investitionen zum siebten Mal hintereinander und damit ebenfalls so lange wie nie zuvor negativ. Auch der Exportsaldo fällt mit einem Wert von -19,1 Prozent auf den zweitschlechtesten Wert, seit die IHK danach fragt.

Ende September 2024 gab es im Main-Kinzig-Kreis 13.085 Arbeitslose. Das sind 683 mehr als vor einem Jahr. Gleichzeitig stieg die Anzahl der offenen Stellen um 409 Stellen auf 3.094 offene Stellen im Main-Kinzig-Kreis – trotz einbrechender Konjunktur plagt der Fachkräftemangel weiter die Unternehmen: 54,7 Prozent sehen darin weiter ein gravierendes Geschäftsrisiko.

Wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so schlecht wie nie bewertet

Bereits in den vorangegangenen Konjunktur-Umfragen zeigte sich, dass die Unternehmen mit ihren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unzufrieden sind. Aber dass erneut nach der Januar-Umfrage die große Mehrheit der Unternehmen – es sind mit 62,7 Prozentpunkten fast 2/3 – die Rahmenbedingungen in Deutschland für ihr größtes Geschäftsrisiko halten, das hat es bisher noch nie gegeben.

„Das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Deutschland ist schwer erschüttert. Diese Umfrage markiert einen noch nie dagewesenen Tiefpunkt in der Stimmung der Wirtschaft im Main-Kinzig-Kreis“, meint IHK-Hauptgeschäftsführer Quidde. Er fasst zusammen: „Die große Mehrheit der Unternehmen will weniger investieren und weniger neue Arbeitsplätze schaffen als bisher – die wenigen optimistischen Unternehmen finden übrigens oft nicht die gesuchten Mitarbeiter – die gegenwärtige Wirtschaftslage wird als schlecht, die künftige als noch schlechter eingeschätzt. Und bei der Industrie, unserer wichtigsten Branche, ist die Stimmung noch schlechter. Historisch gesehen ähnelt die jetzige Krise mehr der Stimmung während der Weltfinanzkrise 2008/2009 als in der Pandemie. Wenn man weiß, dass damals die deutsche Industrieproduktion erst nach sieben Jahren wieder das Vorkrisenniveau des Jahres 2007 erreichte und dass wir bis heute das Niveau des bisher besten Jahres 2019 noch lange nicht wieder erreicht haben, dann gehe ich persönlich davon aus, dass wir im MKK frühestens 2030 den industriellen Output des Jahres 2019 wieder erreichen werden.

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