Krimistunde mit Christoph Poschenrieder

Krimistunde mit Christoph Poschenrieder

Am Dienstag, 20. September, um 19.30 Uhr im Gartensaal Lesung aus „Ein Leben lang“

Bad Orb (ae). Den (vorläufigen) Abschluss der Lesereihe „Bad Orb er-lesen“ macht am kommenden Dienstag nach Dietrich Faber (Samstag), Michel Friedman (Sonntag) und Hasnain Kazim (Montag) der Journalist und Schriftsteller Christoph Poschenrieder. Dieser hat in fesselnder Montagetechnik seinen Kriminalroman „Ein Leben lang“ geschrieben, in dem er sich auf einen tatsächlichen Parkhaus-Mord in München bezieht. Ihm geht es jedoch nicht so sehr darum, den wahren Schuldigen zu finden, sondern vielmehr wie die Freunde des angeklagten Mörders mit der Situation umgehen. Die Lesung findet am Dienstag, 20. September, um 19.30 Uhr im Gartensaal der Konzerthalle Bad Orb statt. Veranstaltet wird sie von der Wächtersbacher Altstadtbuchhandlung Dichtung & Wahrheit in Kooperation mit der Bad Orb Kur GmbH. Im folgenden Interview spricht Poschenrieder über seine Themenwahl, Freundschaften und künftige Bücher.

Frage: Ihr neuestes Buch „Ein Leben lang“, das Sie in Bad Orb vorstellen werden, beruht auf einer wahren Begebenheit, dem Münchener „Parkhaus-Mord“. 2006 wurde die Eigentümerin eines Münchener Parkhauses ermordet. Eine brutale, blutige Tat, für die sehr bald der Neffe des Opfers ins Visier genommen wurde. Seine besten Freunde kämpften damals öffentlich um den Ruf des vermeintlichen Täters. 2006 ist lange her – wie kam es dazu, dass Sie diese schreckliche Tat „wiederentdeckten“?

Poschenrieder: Diesen Stoff hatte ich schon lange auf dem Radar gehabt. Meine Frau, eine Dokumentarfilmerin, hatte damals Kontakt zu dem Freundeskreis um den verurteilten Mörder und 2010 einen Film über den Fall gemacht („Anklage Mord – Ein Freund vor Gericht“). Es hat aber etwas Abstand gebraucht, um es als Romanstoff neu zu denken, inspiriert vom „wahren Fall“ und dennoch abgehoben davon.

Frage: Stilistisch ist der Text außergewöhnlich, setzt er sich doch aus den Aussagen der Freunde des Täters, Aufnahmen, Notizen, Zeitungsausschnitten, Zitaten aus Sachbüchern zusammen. War Ihnen dieser Aufbau von Anfang an klar, oder hat sich diese stilistische Technik erst beim Schreiben als die für diesen Text richtige herauskristallisiert?

Poschenrieder: Das kann nur so funktionieren. Die klassische Form – die mit dem „allwissenden Erzähler“ – habe ich schon ganz am Anfang verworfen. Alles kreist um den Zweifel – und um das Vertrauen. Eben weil die Freunde nichts wirklich wissen und sich nur auf ihr Gefühl, ihre gelebten Erfahrungen mit dem Freund und Angeklagten verlassen können. Leserinnen und Leser dieses Buchs sollen dieses Dilemma nachvollziehen können: Was, wenn sowas mir passiert?

Frage: Rezensenten haben eine Ähnlichkeit zu den Büchern von Jodi Picoult entdeckt, die häufig in ihren Romanen mit Perspektivwechseln arbeitet. Haben Sie die Bücher dieser Autorin gelesen?

Poschenrieder: Von Jodi Picoult hab ich noch nie etwas gelesen.

Frage: Der Titel des Buches ist treffend zweideutig. War der Titel Ihre Idee? Was sagt er für Sie aus?

Poschenrieder: Der Titel steht für die lebenslange Gefängnisstrafe und für die Haltbarkeit von Freundschaft. So wie es aussieht, ist weder das eine noch das andere wirklich und im Wortsinne „lebenslang“ – von Ausnahmen abgesehen. Ich habe schon Freunde, von denen ich denke und erhoffe, dass sie mir lebenslang erhalten bleiben.

Frage: Das vorliegende Buch sei – so sagt es die Kritik – „eine Parabel über Freundschaft und Lüge, Vertrauen und Zusammenhalt“. War das Ihr Anspruch, als Sie mit dem Schreiben begonnen haben?

Poschenrieder: Wenn ich mit dem Schreiben anfange, geht es weniger um Parabeln als darum, eine Geschichte plausibel zu Ende zu bringen. „Parabelhaftes“ darin zu erkennen, ist Angelegenheit der Kritik und der Leserschaft — wenn sie mögen. Wenn ich das Resultat so betrachte, hat es durchaus mit Freundschaft, Lüge, Vertrauen zu tun.

Frage: Was meinen Sie: Kann man mit einem Mörder befreundet sein? Oder wie Sabine im Roman fragt: „Kann ein Mörder unser Freund sein und bleiben?“

Poschenrieder: Wenn die Person sich zu der Tatsache bekannt hat, ist die Frage leichter zu beantworten.  Dann kann man entscheiden, abwägen. Ohne dieses Wissen: verlagert sich die Frage auf „Will man mit einem Mörder befreundet sein?“ Tja, warum nicht? Wenn er/sie sonst ein netter Kerl ist? Es gibt keine offiziellen Regeln. Freund/in ist, wen man dazu erwählt. Selbst wenn’s — aus anderer Sicht — der absolute Kotzbrocken ist.

Frage: Haben Sie selbst Freunde, von denen Sie annehmen, dass diese so bedingungslos an Sie glauben würden, wie die Freunde des damaligen realen Täters in München, die sich öffentlich immer wieder vor ihren Freund gestellt haben?

Poschenrieder: Das ist die Frage: Willst du Freunde, die an dich glauben, so wie du wirklich bist, oder willst du Freunde, die an das glauben, was du ihnen  vorspiegelst? Ich glaube, meine Freunde trauen mir einiges zu — sonst wär ich doch ein bisschen enttäuscht. Das Perfide ist leider, dass gerade Freunde, die einem vertrauen, deswegen besonders gut getäuscht werden können.

Frage: Für eine glaubwürdige Darstellung eines Prozesses bedarf als einer Menge Recherche. Wer hat Sie in dieser Hinsicht unterstützt?

Poschenrieder: Niemand, das mache ich selbst. Die nötigen Dokumente kann man sich besorgen.

Frage: Sie widmen sich literarisch häufig historischen Stoffen. Geben Sie uns einen kleinen Ausblick: Gibt es schon ein neues Buch, an dem Sie arbeiten? Und mit welcher Zeit und welchem Thema wird es sich befassen?

Poschenrieder: Ich bin gerade dabei, einen möglichen Stoff für einen Roman zu testen. Der hat in der Tat einen historischen und sogar einen familiären Kontext, versucht aber, das „Historische“ auf einen gegenwärtigen Fokus zu bringen. Sonst bliebe das „Historische“ eine bloße Kulisse. Sonst gibt es dazu momentan noch nicht viel dazu zu sagen.

Vielen herzlichen Dank für das Gespräch.

Eintrittskarten zur Veranstaltung sind in der Tourist-Information Bad Orb, Kurparkstraße 2, unter Tel. 06052 83-14, bei der Buchhandlung Dichtung & Wahrheit, Obertor 5 in Wächtersbach oder unter www.bad-orb.info erhältlich.

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