Kathrin Anders zu „Neue Ärzte braucht das Land“

Kathrin Anders zu „Neue Ärzte braucht das Land“

„Es braucht also mehr Köpfe, um einen ausscheidenden Arzt oder Ärztin zu ersetzen“

Bad Orb / Main-Kinzig (G/red). Kathrin Anders, Landtagsabgeordnete in Hessen und gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion „Bündnis 90/Die Grünen“ ist Hauptrednerin der Veranstaltung „Neue Ärzte braucht das Land“. Zu dieser öffentlichen Veranstaltung lädt der Kreisverband der Bündnis90/Grünen in die Kurstadt ein. Mit auf der Bühne sitzen an diesem Abend Georg Freund, Geschäftsführer der Kliniken Küppelsmühle und im Bundesvorstand der Rehakliniken sowie Frank Dastych (Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen)

Frage: Frau Anders, Sie nehmen am Dienstag, 13. September, um 18 Uhr im Gartensaal der Konzerthalle Bad Orb an einer Veranstaltung der GRÜNEN zur medizinischen Versorgung im Main-Kinzig-Kreis teil. Mit Ihnen werden Georg Freund (Geschäftsführer Rehaklinik) und Frank Dastych (Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen) diskutieren. Wo liegt das Problem?

Kathrin Anders: Der demografische Wandel zeigt sich in allen Bereichen mit einem erhöhten Fachkräftemangel. Im Gesundheitswesen macht er sich jedoch doppelt bemerkbar. Eine alternde Gesellschaft hat einen höheren Bedarf an Gesundheitsleistungen und weniger Personen zu Verfügung, die diese auch erbringen können. Trotz deutlich gestiegener Medizinstudent*innen, kann die Lücke nur schwer geschlossen werden. Denn die Möglichkeiten für Mediziner*innen sind deutlich vielfältiger geworden und viele Ärzt*innen wollen Familie und Beruf unter einen Hut bringen. Es braucht also mehr Köpfe, um einen ausscheidenden Arzt oder Ärztin zu ersetzen. Leider gelingt es noch nicht genügend ausländische Fachkräfte zu gewinnen. Ohne diese, werden wir jedoch in große Schwierigkeiten geraten. Hier müssen dringend vereinfachte Verfahren notwendig sein und ein klares Einwanderungsgesetz.

Frage: Was kommt auf uns zu in den nächsten Jahren?

Kathrin Anders: Bis zum Jahr 2030 werden in Hessen 50% aller Allgemeinmediziner in Rente gegangen sein. Der Bedarf an Gesundheitsleistungen wird steigen, während immer weniger Nachwuchs vorhanden ist. Aber auch medizinische Fachangestellte fehlen schon jetzt. Es wird also zukünftig weniger Praxen geben, dafür müssen sie aber zentralisierter, vernetzter mit anderen Praxen oder stationären Einrichtungen und mit bestem Personal ausgestattet sein.

Frage: Wie ist die Situation in der Region in den kommenden Jahren, wenn sich nichts ändert?

Kathrin Anders: Wichtig ist das alle verstehen, dass sich sehr viel ändern muss, damit die Versorgung weiterhin gesichert und auf hohem Niveau erfolgt. Das kann Politik nicht verordnen, sondern alle Akteure müssen an einem Strang ziehen und notwendige Veränderungen in Angriff nehmen.

So wird es notwendig sein, auf die Bedürfnisse von jungen Ärzt*innen und anderen medizinischen Fachkräften einzugehen. Viele Ärzt*innen können oder wollen keine eigene Praxis führen, sondern bevorzugen eine Festanstellung mit geregelten Arbeitszeiten. Solche Anstellungen müssen ermöglicht werden. Ebenso ist vielen jungen Mediziner*innen wichtig, im Team zu arbeiten. Kleine Einzelpraxen sind für Viele keine ideale Arbeitsumgebung. Aber natürlich sind auch die hohen Belastungen durch Bürokratie im Abrechnungswesen und der Personalverantwortung eher abschreckend. Hier werden Praxen in Zukunft digitaler werden müssen, um diese Aufgaben schneller und leichter zu bewältigen.

Frage: Wie können wir neue Ärzte gewinnen, die sich auf’s Land wagen? Wie können die Anreize aussehen?

Kathrin Anders: Auf jeden Fall braucht es eine gute Vorbereitung auf das Arbeiten in sogenannten „Landarztpraxen“. Deswegen bietet die Uni Frankfurt besondere Schwerpunktseminare für Allgemeinmedizin an. Hier werden Student*innen schon gezielt auf diese Tätigkeit vorbereitet. Und es braucht natürlich eine gute Infrastruktur vor Ort, damit junge Menschen gerne auf dem Land arbeiten und leben. Denn es muss einem klar sein, dass es für viele Ärzt*innen bedeutet, dass die ganze Familie in den ländlichen Raum geht.

Deswegen ist wichtig, dass gerade Familien gut auf dem Land leben können. Für Ärzt*innen und ihr Personal ist eine gute und verlässliche Kinderbetreuung unerlässlich. Die Medizin wird deutlich weiblicher und Frauen wollen ihren Beruf und Familie vereinbaren können. Gemeinschaftspraxen mit der Möglichkeit von Anstellungsverhältnissen und möglichst wenig bürokratischen Aufgaben, können gute Anreize sein. Sicher auch die Anbindung an andere Praxen oder enge Zusammenarbeit mit einer stationären Klinik. Mit der Landarztquote schaffen wir in Hessen schon früh die Möglichkeit, sich für ein Landleben zu entscheiden. Die Kommunen sollten sich um diese Student*innen schon jetzt bemühen und zB Wohnraum während der Praktika zur Verfügung stellen.

Frau Anders, wir danken für das Gespräch.

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