Gesprächsrunde „Politik-Wirtschaft“: Handlungsbedarf bei Digitalisierung

Gesprächsrunde „Politik-Wirtschaft“: Handlungsbedarf bei Digitalisierung

Wirtschaftsinitiative Mittelstand Main-Kinzig und Mittelstand BVMW luden Politiker und Mittelständler des Landkreises zum intensiven Themenaustausch über Bürokratieabbau ein

Gelnhausen / Main-Kinzig (BVWM/mf). In der dritten Gesprächsrunde „Politik-Wirtschaft“ tauschten sich regionale Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Wirtschaftsvertreter mit Bundestags- und Landtagsabgeordneten intensiv über die streitbaren Themen Digitalisierung und Bürokratieabbau aus. Die Runde wurde im Pressehaus Naumann in Gelnhausen von der Wirtschaftsinitiative Mittelstand Main-Kinzig (WI) in Kooperation mit dem Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) ausgerichtet. Michael Graf, Leiter des Kreisverbands Main-Kinzig im BVMW, moderierte gemeinsam mit Kerstin Cieslik-Pfeifer, Geschäftsführerin der Wirtschaftsinitiative. Der Fokus der Veranstaltung lag in der Diskussion über den Abbau der Bürokratie und hier speziell die teilweise Spürbarkeit der Diskrepanz zwischen politischem Wollen und faktischer Umsetzung. Ziel war es, ein gegenseitiges Verständnis und die Weitergabe von Ideen an die Politik für die Schaffung von Rahmenbedingungen in der Verwaltung zu ermöglichen.

Neben einigen Mitgliedern der IHK-Vollversammlung nahmen auch politische Gäste aus Bundestag, Landtag und Kommunen an der exklusiven Gesprächsrunde teil: Dazu gehörten Lennard Oehl, SPD, Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Hanau und Umland, Markus Hofmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Mitglied des Hessischen Landtags und Sprecher für Mittelstandspolitik, Monika Böttcher, parteilos, Bürgermeisterin der Stadt Maintal, Thomas Koch, Referatsleiter Digitale Verwaltung, Bürger- und Unternehmensservice bei der Hessischen Staatskanzlei / Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung, sowie Walter Dreßbach, Leiter der Wirtschaftsförderung des Main-Kinzig-Kreises. Kerstin Cieslik-Pfeifer leitete die Diskussionsrunde mit Blick auf die schleppende Digitalisierung und bremsende Bürokratie gleich mit einer provokanten Frage ein: „Verstehen die Unternehmer die politische Verwaltung nicht oder macht die Verwaltung ihr eigenes Ding jenseits des politischen Wollens?

Markus Hofmann betonte, dass gesetzliche Vorgaben zu berücksichtigen seien und die Corona-Pandemie die Digitalisierung teilweise ausgebremst habe. „Aber es gibt gute Ansätze, die auch schon konkret umgesetzt werden: Etwa Vereinfachungen bei behördlichen Vorgängen, Kompetenzzentren für Digitalisierung, und eine Schnittstelle, um Know-how und Wissen der Digitalisierung in ländliche Regionen zu bringen“, sagte er. Auch Thomas Koch von der Hessischen Staatskanzlei /Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung sieht positive Entwicklungen: „Wir haben eine gut organisierte Verwaltung, die funktioniert.“ Bei der Digitalisierung fehle allerdings die klare Führungsrolle des Bundes, in allen Landkreisen seien durch standardisierte Verfahren aber schon viele Vereinfachungen für Bürger und Unternehmen erzielt worden. So könne der neue Führerschein digital beantragt werden und mehr als 790 Verwaltungsleistungen seien schon digitalisiert. „Wir sind auf dem richtigen Weg zu einer kundenorientierten Verwaltung. Es gibt in der Verwaltung Unterschiede bei der Identifizierung zwischen Personen und Unternehmen, in Zukunft wird das Konto des Bundes in Hessen zur Identifizierung genutzt, dafür werden die Strukturen gerade geschaffen“, sagte Koch.

Politik und Wirtschaft mit kontroversen Sichtweisen

Für Axel Ebbecke, Vorstandsvorsitzender der Ebbecke Verfahrenstechnik AG und der Wirtschaftsinitiative Mittelstand Main-Kinzig, kritisierte dagegen die teils bremsende Bürokratie: „Wir Unternehmer wurden in der Pandemie-Krise nicht priorisiert, wir geraten immer mehr in eine Staatswirtschaft, die Bürokratie ist während der Pandemie weiter gestiegen. Es findet zu wenig Austausch zwischen Unternehmern und Verwaltung statt. In der öffentlichen Verwaltung müssen moderne Strukturen eingeführt werden, so dass wir wieder innovationsfreundlich werden.“ Christof Füller, Geschäftsführer der Firma FD/ MethCon aus Fulda und Mitglied im Engineering-High-Tech-Cluster Fulda e.V., sieht vor allem Nachteile für Gründer und Startups. „Wir hinken weltweit bei der Digitalisierung fast schon hoffnungslos hinterher. Startups und Gründer müssen viel stärker gefördert werden, dazu sind Steuererleichterungen und vereinfachte Fördermittelzugänge erforderlich. Die Komplexität muss wieder zurückgefahren werden. Und wir müssen den Dialog und die Zusammenarbeit fördern, das gelingt uns nur, wenn wir das Bewusstsein für den Partner schaffen.“

Dass Kommunen auch schon digital denken, zeigte Bürgermeisterin Monika Böttcher am Beispiel der Stadt Maintal: „Ich sehe mich als Botschafterin der Verwaltung, aber wir müssen mit Vorurteilen aufhören, die Verwaltung sei langsam und nur Unternehmer seien innovativ. Digitalisierung ist für uns kein Fremdwort. Im Zuge der Einführung des Online-Zugangs-Gesetzes – für 198 der insgesamt rund 436 Einzelprozesse sind die Kommunen zuständig – digitalisieren wir fortlaufend weitere Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger. Rund ein Viertel unserer Zuständigkeiten sind bereits online verfügbar. Unsere Homepage dient hier als Plattform.“ Sebastian Fritzsche, Geschäftsführer der Firma Pixelstein & Friends GmbH aus Langenselbold und Mitgestalter von Kinzigtal.digital sieht bei den Kommunen allerdings einen Hemmschuh und kritisierte: „Kommunen haben feste, gesetzte große Player als IT-Partner, hier werden Formulare und Anträge digital gestaltet, die oftmals nicht im Entferntesten benutzerfreundlich sind. Angebote, dieses zu verbessern, auch unentgeltlich, werden nicht angenommen, die vorhandenen Sozialen Medien werden aus Gründen der DSGVO nicht genutzt.

Trotz oft unterschiedlicher Sichtweisen der Vertreter aus Politik und Wirtschaft verlief die Gesprächsrunde in angenehmer und respektvoller Atmosphäre und trug zum gegenseitigen Verständnis bei den naturgemäß konfliktbehafteten Themen Digitalisierung und Bürokratie bei. Diese Schwerpunkte sollen mit noch gezielteren Themen und in kleineren Gruppen weiter vertieft werden. Referatsleiter Thomas Koch schlug am Ende vor, die Perspektive zu wechseln und sich das Problem von der jeweils anderen Seite anzuschauen. Eine regionale Arbeitsgruppe soll darüber hinaus in einem Pilotprojekt einen Vorschlag für ein einfacheres Baugenehmigungsverfahren oder eine schnellere Fördermittelbeantragung erarbeiten. Der BVMW und die Wirtschaftsinitiative planen hierfür bereits für Mitte Juni ein erstes Zusammenkommen einer entsprechenden Arbeitsgruppe. „Wir werden hierfür den Kontakt mit dem Ministerium für digitale Strategie vertiefen“, zogen die Gastgeber Kerstin Cieslik-Pfeifer und Michael Graf ein positives Resümee der dritten Gesprächsrunde Politik-Wirtschaft.

Zur Wirtschaftsinitiative Mittelstand Main-Kinzig:

Die Wirtschaftsinitiative Mittelstand Main-Kinzig besteht seit 2019. Ihr Ziel ist es, die wirtschaftliche Stabilität und Prosperität der hiesigen Unternehmen sicherzustellen und zu fördern. Die Zahl der Mitgliedsunternehmen liegt mittlerweile bei mehr als 30. Unter wi-main-kinzig.de gibt es weitere Infos zur Initiative.

Zum Bild: Gesprächsrunde: Wirtschaftsinitiative Mittelstand Main-Kinzig und Mittelstand BVMW luden Politiker und Mittelständler des Landkreises zum intensiven Themenaustausch über Bürokratieabbau ein. Bildquelle: Wirtschaftsinitiative Mittelstand Main-Kinzig

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