„Die Pyramide in der Saftwaage halten“

„Die Pyramide in der Saftwaage halten“

Biebergemünd (OGV/ps). Am vergangenen Samstag hatte der Obst- und GArtenbauverein (OGV) Lanzingen zum Winterschnittkurs für Obstbäume eingeladen. Als Fachreferenten begrüßte der Vorstand um Dieter Kilgenstein an Jörg Lind aus Roßdorf. Pünktlich um 13.30 Uhr startete die Veranstaltung auf der gemeindeeigenen Streuobstwiese beim neuen Feuerwehrgerätehaus vor Lanzingen. Insgesamt betreut der OGV Lanzingen inzwischen mehr als 100 Obstbäume auf den als Ausgleichsflächen angelegten Steuobstwiesen.

OGV Lanzingen veranstaltete Winterschnittkurs

Besonders im Blick auf die Forderung nach Nachhaltigkeit, Ökologie, Biodiversität und regionale Erzeugung, bekommt der Anbau heimischer regionaler Obstsorten und die Anlage von Streuobstwiesen immer mehr Bedeutung. Aber ohne Pflege – kein Erhalt der ökologischen Funktion und keine Ernte von leckeren Früchten. Also müssen in jedem Frühjahr wieder die entsprechenden Schnitt- und Pflegearbeiten an den Bäumen durchgeführt werden.
Mehr als 50 Obstbaum-Interessierte hatten sich an diesem kaltem und sonnigen Frühlingstag eingefunden und wurden von Dieter Kilgenstein begrüßt. Dann übergab Kilgenstein an Fachwart Lind. Mit seiner inzwischen 40 jährigen Berufserfahrungang machte Lind in seiner kurzen Einleitung deutlich, dass es bedingt durch veränderte Umwelt- und Strukturbedingungen auch im Bereich Obstbaumpflanzung und Pflege immer wieder neue Anforderungen gibt. Deshalb sei eine teilweise geänderte Herangehensweise als „früher“ notwendig.

Für den privaten Obstanbau geht die Empfehlung in Richtung Halbstamm-Bäume

So bereiten den Obstbauern neben den längeren Trockenperioden im Frühjahr und Sommer vor allem die häufiger spät auftretenden Nachtfröste große Sorgen. In den davon betroffenen Lagen sollten daher vermehrt spätblühende Obstsorten gepflanzt werden. Für den privaten Obstanbau geht die Empfehlung auch in Richtung Halbstamm-Bäume, da diese weniger Grundstücksfläche benötigen und einfacher zu pflegen sind.

Nach etwas Theorie mit Hinweisen zum pyramidenförmigen Aufbau der Baumkrone und der Beachtung der biologisch wichtigen Saftwaage der Leitäste ging es direkt in den Praxisteil: Dabei erfolgte der Winterschnitt an zwei 15jährigen Apfelbäumen. Ausserdem wurde beispielhaft ein Rettungsschnitt an einem durch ungünstige Bodenverhältnisse stark geschwächten vier Jahre alten Jungbaum gezeigt.

Besonders interessant war bei der Durchführung der Schnittmaßnahmen, das die „Übungsbäume“ direkt vollständig geschnitten wurden und so für die Teilnehmer der Vorher/Nachher-Effekt sichtbar und nachvollziehbar war. Dabei empfiehlt der Fachwart vor allem Anfängern die Durchführung des Winterschnitts, „denn ohne Laub ist so eine Baumkrone einfach übersichtlicher als im Sommer“. Bei starkwüchsigen Bäumen sollte allerdings dem Sommerschnitt der Vorzug gegeben werden, da dieser den Wuchs bremst. Lind: „Da bieten sich die örtlichen Obst- und Gartenbauvereine im MKK immer als fach- und sachkundige Ansprechpartner an.“

Es wurde deutlich, wie wichtig gutes Handwerkszeug ist

Als absolutes Highlight wurde abschließend noch ein Verjüngungsschnitt an einem etwas verwilderten ca. 70 Jahre alten Zwetschgenbaum durchgeführt. Hier demonstrierte Jörg Lind seine hervorragenden theoretischen Kenntnisse und die saubere handwerkliche Umsetzung beim Einsatz von Schere und Baumsäge. Dabei wurde deutlich, wie wichtig gutes Handwerkszeug ist. Die heutigen teleskopierbaren Handsägen und akkubetriebenen Astschneider ermöglichen ein sicheres Arbeiten vom Boden aus.

Wie der Fachwart betonte, lohnt sich gerade bei alten Obstbäumen die Mühe zum Erhalt dieser ökologisch sehr wertvollen Baumveteranen, „denn bis ein Jungbaum in die Vollertragsphase geht, können bis zu 25 Jahre vergehen“, so Lind.
Der OGV Vorsitzende Dieter Kilgenstein bedankte sich abschließend bei Lind für die sehr informative, kurzweilige und vor allem praxisnahe Umsetzung der angesprochenen Pflegemaßnahmen.

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