Vier Preisträger: Altstadtpreis erneut verliehen

Vier Preisträger: Altstadtpreis erneut verliehen

Wächtersbach (fs). Bereits zum fünften Mal hat der Altstadtförderverein Wächtersbach den Altstadtpreis verliehen. Auch im Jahr 2021 gibt es vier Preisträger. Alle vier Objekte befinden sich in der Wächtersbacher Altstadt: Untertor 2 (André Kolb), Obertor 27 (Christian und Karin Wirsing), Bachstraße 21 (Jörg Stein) und das alte Rathaus am Marktplatz 12, in dem sich heute das Heimatmuseum befindet (Thomas Janik für den Heimat- und Geschichtsverein Wächtersbach und Erster Stadtrat Günter Höhn für die Stadt Wächtersbach). Die Preisverleihung wurde von Norbert Eckert mit Gitarre und Gesang musikalisch umrahmt.

Wie Vorsitzende Enesa Aumüller im Namen des Altstadtfördervereins vorausschickte, wolle der Verein das persönliche Engagement der Preisträger bei der Erhaltung und Sanierung von vier Kulturdenkmälern in unserer Altstadt würdigen. „Damit wollen wir uns bei unseren Preisträgern bedanken und vor allem jungen Familien Mut machen, selbst ein denkmalgeschütztes Haus zu erwerben, und für sich und ihre Familien ein wohnliches Zuhause in der Altstadt zu erschaffen – und damit auf ganz natürliche Weise die Altstadt von innen heraus zu beleben und ein Stück Kulturgut für die Nachwelt zu erhalten“, so Enesa Aumüller in ihrer Laudatio. Das Besondere an der Altstadt seien nicht nur die denkmalgeschützten Häuser, sondern auch die Altstadtkultur, die Regeln des Zusammenlebens in der Altstadt, das Miteinander.

„Gemeinsam zu einer neuen Altstadtkultur und einem neuen Miteinander finden“

Früher wurden die Altstadthäuser über viele Generationen von derselben Familie bewohnt, man kannte sich beim Namen, man tauschte sich aus, man unterstützte sich gegenseitig und blieb immer in Kontakt“, so die Vorsitzende weiter. „In der heutigen Zeit, in der alles schnelllebig geworden ist und nichts mehr Bestand hat, die Hauseigentümer oft wechseln und manche Häuser nur noch Mietobjekte sind, zerfällt die einst gefestigte und über viele Jahrzehnte gewachsene Altstadtkultur.“ Ein Ziel des Altstadtfördervereins sei es, „die Altstadt von innen heraus liebevoll und einfühlsam zu beleben und das Miteinander in der Altstadt zu stärken. Wir wollen gemeinsam mit unseren Veranstaltungen unter Einbeziehung der Altstadtbewohner, Geschäftsleute und Vereine zu einer neuen Altstadtkultur und einem neuen Miteinander finden.

Der Altstadtpreis ist laut Enesa Aumüller eine vom Gründungsmitglied Franz Aumüller entworfene und von Gerd Hausen gefertigte Keramikkachel, mit dem Vereinslogo und der entsprechenden Jahreszahl. Diese kann außen an der Hauswand befestigt werden. In diesem Jahr wurde der Preis von der Firma Aumüller-Immobilien gesponsert, denn ihr liege die Altstadt am Herzen, so Enesa Aumüller. Der Altstadtförderverein verleihe diesen Altstadtpreis an Hauseigentümer für das persönliche Engagement bei der Sanierung/Restaurierung von Einzelkulturdenkmälern, bei der Sanierung/Restaurierung von ensemblegeschützten Häusern, die durch den Rückbau von Verschandelungen verschönert werden und bei der Erhaltung von Kulturdenkmälern.

Über eine lange Zeit waren die Altstadthäuser leider nicht geschützt, dadurch ging viel alte Bausubstanz verloren. Deswegen ist es richtig und wichtig, die erhaltenswerten Bauten zu kategorisieren und unter Denkmalschutz zu stellen“, stellte Enesa Aumüller fest und fragte: „Wie aber können wir unser Kulturgut schützen, ohne die Altstadt zu konservieren? Wie kann sich die Altstadt weiterentwickeln, ohne dabei den Altbestand zu zerstören?“ Die Vorsitzende beantwortete diese Fragen selbst: „Attraktiven Wohnraum und gewinnbringende Gewerbeflächen in der Altstadt zu erschaffen, bedeutet, in die geschützte Außenhülle großzügig geschnittene, helle Räume zu integrieren und diese unter Einbeziehung und Erhaltung aller historischen Details, und in Absprache mit dem Denkmalamt modern auszustatten.

Das erste ausgezeichnete Objekt des Jahres 2021 ist das Anwesen Untertor 2. Dieses ehemalige Wächterhaus wurde 1669 erbaut. Es stand vor dem Untertor, das Mitte des 19. Jahrhunderts niedergelegt wurde. Das Erdgeschoss des zweigeschossigen Gebäudes in markanter Lage wird seit Generationen gewerblich genutzt. Es ist das Elternhaus von André Kolb und befindet sich bereits seit mehreren Generationen im Familienbesitz. Im Erdgeschoss befindet sich eine Kartusche mit der Inschrift: „Wächter am Bach“, darüber das Ysenburger Wappen und die Inschrift: „Renoviert durch Isaac Weisgerber, Andres Weber ist der Bürgermeister. Wächtersbach 1742.“ An André Kolb richtete Enesa Aumüller einige Fragen. Der Hauseigentümer erinnerte sich, dass sein Großvater Heinrich Kolb dieses Haus erworben habe, er habe darin sein Friseurgeschäft betrieben. Er selbst arbeite darin als Finanz- und Vermögensberater. Er habe das Haus komplett kernsaniert, und bis auf ein paar gebrochene Deckenbalken sei eigentlich alles in Ordnung gewesen. Nach seiner Einschätzung habe der Einzelhandel in der Wächtersbacher Altstadt kaum noch eine Chance – wohl aber Dienstleistungen. Und der Altstadt komme zugute, „dass die Altstadthäuser relativ preiswert sind“.

Danach nahmen Christian und Karin Wirsing ihren Preis in Empfang. Ihnen gehört das Haus Obertor 27, das 1734 als Gemeindehaus erbaut um 1774 zum Pförtnerhaus für das obere Stadttor umgebaut wurde. 1980 wechselte dieses ehemalige Pförtnerhäuschen letztmalig den Besitzer und wird seither von den heutigen Hauseigentümern liebevoll gepflegt. Christian Wirsing ist ein gebürtiger Wächtersbacher. Als junger Mann arbeitete er Hanau gearbeitet lernte dort auch seine Frau kennen, wie Enesa Aumüller schilderte. 1972 kehrte er mit seiner Frau und zwei Kindern nach Wächtersbach zurück. Damals wohnte die Familie noch über dem ehemaligen Marstall. 1980 erwarb sie das Objekt Obertor 27. „Es gab viel in diesem Haus zu tun, das kostete viel Arbeit und Kraft“, schilderte Christian Wirsing. Er habe eine Forellenzucht als Hobby betrieben und auf dem Wächtersbacher Wochenmarkt verkauft. Karin Wirsing, die lange Zeit beim ehemaligen Tegut-Markt (Lebeau) gearbeitet hatte, sagte: „Wir fühlen uns wohl hier. Allerdings war das Miteinander der Nachbarn früher besser.“

Der dritte Preisträger wurde ebenfalls in die Altstadt hineingeboren: Jörg Stein. Sein Haus in der Bachstraße 21 befindet sich seit vielen Generationen im Familienbesitz, darin befand sich lange Zeit das Gasthaus Zum Stein. In dem Haus wurde 1537 das erste Hospital Wächtersbachs gegründet. Else und Kunz Rumolt stifteten dazu ihr Haus, ihren Hof und das zugehörige Land. Graf Anton unterstützte die Einrichtung mit Kapital und Naturalien. 1560 wurde ein neues Gebäude für das Hospital errichtet. Nach dem Tod Graf Antons wurde das Hospital 1582 als Amtshaus genutzt. Das zweigeschossige Fachwerkgebäude wechselte noch mehrmals den Besitzer und den Verwendungszweck. Heute wird das Haus ausschließlich als Wohnhaus genutzt. Ein Nebengebäude dient als Bürofläche. Ein weiteres Gebäude wurde erst vor kurzem an der Stelle der ehemaligen Scheune neu erbaut. In diesem Nebengebäude hat Jörg Stein auch sein Raumausstatter-Geschäft angesiedelt. Zuvor hatte er sein Elternhaus aufwendig saniert und modernisiert. 1875, berichtete Jörg Stein, habe sein Ur-Ur-Ur-Großvater Heinrich Stein dieses Anwesen gekauft. Er sei quasi in der Altstadt aufgewachsen. Ihm gehöre das Haus seit sechs Jahren. Der Renovierungsaufwand sei überschaubar gewesen, allerdings mussten das Bauamt und die Denkmalschutzbehörde den Umbau der Scheune genehmigen. Auch die Beantragung der Fördermittel aus dem Programm „Neues Leben im Stadtkern – Lokale Ökonomie Wächtersbach“ sei sehr aufwendig gewesen. Aber nun sei alles fertig.

Bei dem letzten Objekt, dem spätgotischen Rathaus aus dem Jahre 1495, in dem das Heimatmuseum untergebracht ist, gibt es gleich zwei Preisträger: die Stadt Wächtersbach als Eigentümer und den Heimat- und Geschichtsverein Wächtersbach als Nutzer. Das 1523 als „Born- und Kauffhaus“ bezeichnete Kommunalgebäude wurde, wie im Mittelalter üblich, als Solitär auf dem Marktplatz gestellt, inzwischen hat sich dort ein Häuserblock entwickelt. 1927 zog die Stadtverwaltung in das historische Postgebäude am Lindenplatz, das später wegen einem Parkplatz abgerissen wurde. Seit 1968 dient „das alte Rathaus“ als Heimatmuseum Wächtersbach. Bis ins 19. Jahrhundert fungierte das Untergeschoss auch als Markthalle, und auch die Feuerwehrspritze und der Leichenwagen waren darin untergebracht. Auffällig ist der außen angebrachte ehemalige Pranger, ein an zwei Ketten in der Wand verankerter Halsring. Enesa Aumüller überreichte den Preis stellvertretend an den Ersten Stadtrat Günter Höhn und Thomas Janik vom Heimat- und Geschichtsverein. Dieser Verein betreue nicht nur das Heimatmuseum, sondern bringe auch den Besuchern bei Altstadt- und Schlossführungen die Geschichte Wächtersbachs näher.

Er trägt damit auch zu unserer Altstadtbelebung bei“, so Enesa Aumüller. Im Türsturz des alten Rathauses stehen drei Jahreszahlen, nämlich das Baujahr und die zwei Umbaujahre 1610 und 1865. Thomas Janik berichtete, dass im Heimatmuseum jetzt auch die Sammlung von Waechtersbacher Keramik untergebracht sei. „Der Dachboden und der Keller sind voll“, schilderte Thomas Janik. „250 Umzugskartons voll Keramik stehen noch in Neudorf.“ Und mit der heutigen Preisverleihung schließe sich der Kreis. Heute erhalte das alte Rathaus den Altstadtpreis. Das vierte Rathaus der Stadt, das Schloss, habe diesen Preis ja bereits im Jahr 2020 erhalten. Der Erste Stadtrat Günter Höhn gratulierte den Preisträgern im Namen der städtischen Gremien und lobte das Engagement. „Werte zu schaffen ist das eine, Werte zu erhalten ist eine höherwertige Aufgabe.“ Jetzt stehe die Stadt noch vor der Herausforderung, das Schlossgelände instand zu halten und neuen Wohnraum zu schaffen. Günter Höhn lobte auch den Verein: „Der Altstadtförderverein ist eine treibende Kraft für die Erhaltung der Altstadt.“

Die Collage zeigt (von links) André Kolb, Enesa Aumüller, Thomas Janik, Günter Höhn, Jörg Stein, Karin und Christian Wirsing sowie Norbert Eckert, der die Feierstunde musikalisch bereicherte. Fotocollage: Altstadtförderverein/Schäfer

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